Werbung für Homöopathie:
Globukalypse – dürfen Krankenkassen für Globuli werben?
Beim Thema Homöopathie ist Deutschland ähnlich gespalten wie Großbritannien beim Brexit: Gegner wollen, dass die Kassen Kosten für alternative Heilmethoden nicht übernehmen. Befürworter kontern: Wer heilt, hat Recht.
"Homöopathie gehört zu einer guten Patientenversorgung, darin war ich mir mit der Geschäftsführung der @Weleda_D in Schwäbisch Gmünd einig" twitterte jüngst Christian Lange, Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Pikant, denn Weleda, Hersteller von Naturkosmetik und antroposophischer Medizin, hat seinen Firmensitz just in Langes Wahlkreis. Das Statement kommt zu einer Zeit, in der sich die Gemüter heiß diskutieren am Thema "Soll Homöopathie auf Rezept zu haben sein? Und dürfen Krankenkassen damit werben?"
Ähnliches mit Ähnlichem heilen lautet das Motto der Homöopathie. Die Idee beruht darauf, dass Stoffe, die in großen Dosen schädlich sind, hochverdünnt eine Heilreaktion auslösen können. Viele Menschen schwören daher auf Globuli, die kleinen Kügelchen, in denen der Wirkstoff praktisch nur in Nano-Spuren vorhanden ist.
Homöopathie – gute Werbung für die Krankenkasse?
Für die Krankenkassen stellt Homöopathie eine Möglichkeit dar, sich von anderen Krankenkassen abzugrenzen, sich quasi als "offen für alternative Heilmethoden" zu positionieren und das Thema für ihre Werbung zu nutzen. Denn die Homöopathie fällt in den Bereich der freiwilligen Satzungsleistungen der Kassen. Die Kassen können die Homöopathie also als Wettbewerbsinstrument einsetzen, um sich von anderen Kassen zu differenzieren. Gesetzlich geregelt ist das alles im SGB V (§ 11 SGB V Leistungsarten). Einzige Bedingung: Diese zusätzlichen Leistungen dürfen nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeschlossen worden sein und müssen in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden – so will es das Gesetz. Auf gut Deutsch: Es dürfen keine Giftpillen sein, die eine Gefahr für Leib und Leben darstellen.
#Globukalypse
Und genau hier setzen die Gegner von Homöopathie an. Der Weilheimer HNO-Arzt Dr. Christian Lübbers zum Beispiel sagt: "Wenn eine Methode seit über 220 Jahren den Nachweis einer spezifischen Wirkung schuldig bleibt und Patienten aufgrund eines Fehlglaubens an eine angebliche Wirkung der Homöopathie Gefahr laufen, auf tatsächlich wirksame Medizin zu verzichten oder eine wirksame Therapie zu spät einzuleiten, sollte eine diesbezügliche irreführende Werbung generell untersagt werden." Auf Twitter fordert der Arzt unter #Globukalypse ein Ende des Homöopathie-Sonderstatus bei Arzneimittelzulassung & GKV-Erstattung.
Weiteres Argument der Homöopathie-Gegner: Dass Krankenkassen sich über Homöopathie differenzieren können, sei ein Trugschluss, da mittlerweile praktisch alle Krankenkassen Homöopathie in ihren Leistungskatalog aufgenommen haben und somit der ursprünglich intendierte Wettbewerb zwischen den Krankenkassen in Bezug auf die Homöopathie gar nicht mehr stattfände, so der Arzt.
Homöopathie wird in homöopathischen Dosen nachgefragt
Fragt man bei den Krankenkassen nach, so stellt man jedoch fest, dass Homöopathie für die Menschen nicht das kriegsentscheidende Argument ist, einer Krankenkasse beizutreten. Bislang haben sich rund 42.200 Versicherte in den Vertrag der Barmer mit dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) eingeschrieben. Im ersten Halbjahr 2019 haben sich etwa 14.400 Patientinnen und Patienten entsprechend behandeln lassen. Zum Vergleich: Die BARMER hat rund 9,1 Millionen Versicherte. Die Gesamtausgaben für Homöopathie sind unter dem Strich gering. So wurden bei der Krankenkasse im Jahr 2018 nur 0,007 Prozent der Leistungsausgaben für Homöopathie aufgewendet.
Bei der AOK sind es je nach Bundesland ein paar Hundert bis 3.700 Patienten, die sich homöopathische Mittel verschreiben haben lassen. Die AOK Bayern beispielsweise bezahlte 2018 rund 46.000 Euro für homöopathische Arzneimittel. Der Anteil der Ausgaben der DAK für homöopathische Mittel lag im Jahr 2018 bei 0,0042 Prozent der Gesamtausgaben.
Homöopathie und das Solidarsystem
Doch auch wenn das vermeintlich Peanuts sind, unterlaufe die Kostenübernahme sämtliche Prinzipien des Solidarsystems, die sonst für die Erstattung von Medikamenten oder Therapien gelten, so die Kritiker weiter. Denn Homöopathie wirke nicht über den Placebo-Effekt hinaus und sei daher weder wirtschaftlich noch alternativlos, notwendig oder gar zweckmäßig, sagt Dr. Lübbers. Doch gerade den Placebo-Effekt, dem in vielen Studien eine Wirksamkeit bescheinigt wird, als Argument anzuführen, bringt Homöopathiebefürworter auf die Palme.
Das sagen die Kassen
Und die Kassen stehen beim Thema Homöopathie zwischen Baum/Evidenzmedizin und Borke/Versicherteninteressen. Kai Behrens, Pressesprecher des AOK-Bundesverbandes sagt: "Für die Wirksamkeit von Homöopathie gibt es nach Expertenmeinung keinen Nachweis in methodisch hochwertigen Studien. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass eine homöopathische Therapie zu einer subjektiv wahrgenommenen Verbesserung der gesundheitlichen Situation bei den behandelten Personen führen und damit das Behandlungsziel erreichen kann. Zudem sind bei der Anwendung von Homöopathie – im Gegensatz zu vielen anderen Selbstzahlerleistungen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – keine negativen Folgen für die Patienten zu erwarten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Homöopathie nicht als 'Ersatz' für die leitliniengerechte Therapie von behandlungsbedürftigen Erkrankungen angeboten und eingesetzt wird."
Entsprechend gelassen äußerte sich auch der oberste Hüter der Gesundheit in Deutschland, Gesundheitsminister Jens Spahn. "Es ist so okay, wie es ist", sagte der Minister gegenüber dpa. Denn bei einem Etat von rund 40 Milliarden Euro im Jahr geben die Kassen weniger als ein Prozent für Homöopathie aus. In Frankreich ist die Sache übrigens beschlossen: Ab 2021 wird es keine Zuschüsse mehr für homöopathische Mittel geben. Bleibt abzuwarten, wie es in Deutschland weitergeht - zwischen "okay so" und "Globukalypse".