EU-Urteil:
Google bekommt geringfügig niedrigere Strafe
Im Gerichtsverfahren, das Google gegen die EU-Kommission angestrengt hatte, bekräftigte das EU-Gericht die Wettbewerbsstrafe, senkt die Summe jedoch leicht ab. Ob Google nun akzeptiert?
Google muss nach einer Schlappe vor dem EU-Gericht den Wettbewerbsvorgaben der EU-Kommission beim Smartphone-System Android folgen. Die Luxemburger Richter bestätigten am Mittwoch die Rekord-Wettbewerbsstrafe der Kommission aus dem Jahr 2018. Lediglich der Betrag wurde ein wenig gesenkt - von 4,34 Milliarden auf 4,125 Milliarden Euro. Gegen das Urteil kann noch Einspruch beim Europäischen Gerichtshof eingelegt werden. Das Gericht sah den Vorwurf der Kommission bestätigt, dass Google den Herstellern von Android-Geräten und den Betreibern von Mobilfunknetzen rechtswidrige Beschränkungen auferlegt hat, um die eigene marktbeherrschende Stellung zu stärken.
Google zeigte sich enttäuscht, dass die Entscheidung nicht vollständig aufgehoben wurde. "Android hat nicht weniger, sondern mehr Wahlmöglichkeiten für alle geschaffen. Außerdem unterstützt Android Tausende erfolgreicher Unternehmen in Europa und auf der ganzen Welt", sagte ein Sprecher. Der Konzern hatte die Strafe in einem Quartal verdaut und immer noch einen Gewinn von 3,2 Milliarden Dollar geschrieben. Gegen das Urteil kann noch Einspruch beim Europäischen Gerichtshof eingelegt werden.
Die Kommission hatte Google vorgeworfen, die Marktposition seiner Online-Angebote auf Android-Smartphones auf unfaire Weise gegen andere Anbieter abzusichern. Android, das von Herstellern wie Samsung oder Xiaomi genutzt wird, ist das meistbenutzte Smartphone-System und kommt auf einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Den Rest machen Apples iPhones mit der Software iOS aus. Android wird bei Google entwickelt, ist für Geräte-Hersteller kostenlos und kann von ihnen im Prinzip auch abgewandelt werden. Aber es gibt Einschränkungen, wenn sie Google-Dienste wie Gmail oder Maps auf die Geräte bringen.
EU-Wettbewerbsstrafe im Grunde richtig
Die Richter wiesen die Klage im Wesentlichen ab. Das Gericht widersprach allerdings der Einschätzung der Kommission bei Feststellung eines Missbrauchs bei einer Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen und verringerte daher die Strafe, "um Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung besser Rechnung zu tragen", hieß es in der Mitteilung.
Die Kommission störte sich unter anderem daran, dass Hersteller von Android-Smartphones, die Google-Dienste einbinden wollen, immer ein komplettes Paket aus elf Apps des Internet-Konzerns auf die Geräte bringen mussten. So kämen zum Beispiel auch Googles Browser Chrome und die Google-Suche immer auf die Geräte, selbst wenn ein Hersteller zum Beispiel nur die App-Plattform Play Store installieren wolle. Google änderte das Geschäftsmodell 2018 und erlaubt Herstellern nun, einzelne Dienste auch ohne Chrome und die Websuche einzubinden. Trotz des rechtlichen Vorgehens gegen die Kommissionsentscheidung musste der Konzern ihren Forderungen folgen.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager betonte beim Beschluss 2018, die Vorinstallation von Google als Standard-Suchmaschine sorge dafür, dass die Verbraucher sie auch benutzten, statt sich die Anwendung eines Konkurrenten herunterzuladen. Google konterte damals, die Bündelung mehrerer Apps sei nötig, weil Nutzer miteinander verknüpfte Google-Dienste sonst nicht vernünftig einsetzen könnten.
Außerdem kritisierte die Brüsseler Behörde die sogenannte «Anti-Fragmentierungs-Vereinbarung», gemäß der Anbieter von Geräten mit Google-Diensten nicht gleichzeitig auch Smartphones mit abgewandelten Android-Versionen verkaufen konnten. Vestagers Beispiel ist, dass vor einigen Jahren Amazon sein abgewandeltes Android-System FireOS auch anderen Herstellern anbieten wollte. Sie seien interessiert gewesen - aber hätten FireOS nicht nutzen können, weil sie danach keine Geräte mit Google-Diensten mehr hätten anbieten können. Auch diese Einschränkung hob Google 2018 auf.
Der dritte Vorwurf der Kommission drehte sich darum, dass Google die Erlöse aus Werbung in der Such-App nur mit Geräte-Herstellern teile, wenn sie auf den Telefonen und Tablets exklusiv installiert gewesen sei. Seit 2018 bietet Google neue Lizenzverträge für die nicht-exklusive Verwendung der App.
Das Urteil ist Teil einer Reihe von Rechtsstreitigkeiten zwischen der für Wettbewerb in der Europäischen Union zuständigen EU-Kommission und dem amerikanischen Konzern (Rechtssache T-604/18). Seit 2017 hat die Brüsseler Behörde gegen Google mehrere Strafen in teils historischem Ausmaß verhängt, zuletzt im vergangenen Jahr. Sowohl vor dem EU-Gericht als auch vor dem EuGH sind noch mehrere Klagen von Google gegen Kommissionsbeschlüsse anhängig.
Freude bei den Verlegern
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) begrüßen die heutige Entscheidung. Das Gericht stelle klar, dass Unternehmen, die ganze Ökosysteme beherrschen, diskriminierungsfreien Zugang zu ihren mobilen Plattformen gewähren müssen, wenn sie die einzige Möglichkeit darstellen, Verbrauchergruppen zu erreichen. Insbesondere der Hebelung von Marktmacht über verschiedene Märkte hinweg durch die Zwangskoppelung verschiedener Dienste wurden enge Grenzen gesetzt.
"Die Gerichtsentscheidung hat historische Dimensionen. Nach dem Google Shopping-Urteil von November 2011 stützt das Gericht der EU bereits zum zweiten Mal eine grundlegende Entscheidung von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegen den Torwächter Google. Das Urteil bestätigt, dass die Kommissionsentscheidung die erheblichen Schäden, die von Googles Verhaltensweisen für den Wettbewerb ausgingen, einwandfrei nachgewiesen hat", erklärten BDZV und MVFP. Die Wettbewerbsbedenken seien jedoch noch nicht vorbei. "Wie auch im Fall Google Shopping bestehen erhebliche Bedenken, ob Google die von der Kommission vorgegebenen Abhilfemaßnahmen tatsächlich effektiv umgesetzt hat."
Die Kommissionsentscheidung und das Urteil sind von erheblicher Bedeutung für Presseverleger, da für sie der Zugang über Apps und Suchmaschinen auf die Handys ihrer Leser:innen wichtig ist. "Das heutige Urteil ist ein weiterer wichtiger Präzedenzfall für die Sicherung der Wettbewerbsfreiheit in der Digitalwirtschaft. Es bestätigt, dass Google durch die Kontrolle eines gesamten Ökosystems in der Lage ist, den Wettbewerb und die Presse- und Medienvielfalt in Europa zu gefährden. Das Urteil stärkt der Europäischen Kommission, aber auch nationalen Behörden den Rücken, die Freiheit und Innovationskraft des Internets noch stärker gegenüber einer solchen Übermacht und unkontrollierten Regelsetzungsmacht abzusichern. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den bereits verabschiedeten Digital Market Acts (DMA), der vor genau solchen Verzerrungen des Wettbewerbs und Gefahren für die Medienpluralität schützen soll."