Expertenstatements:
Trends für die Customer Journey nach Corona
Die Coronakrise hat die Beziehung zwischen Handel und Kunden gründlich strapaziert. Was sich aus dieser Zeit lernen lässt? Nur, wer alle Touchpoints bestmöglich verknüpft, wird sich durchsetzen.
Anfang des Jahres hatte W&V bei verschiedenen Digitalexperten nachgefragt, was das Jahr 2020 für digitale Erlebnisse mit sich bringen wird, welche Trends sich abzeichnen und welche Strategien sie empfehlen. Nun hat die Corona-Pandemie viele Pläne gehörig durcheinander gewirbelt. Deswegen fragen wir erneut und baten um eine erste Corona-Zwischen-Bilanz:
Corinna Hohenleitner, Country Director DACH, Criteo
Das Corona-Virus stellt uns alle vor ungeahnte Herausforderungen. Eine Pandemie dieses Ausmaßes war zum Jahreswechsel natürlich nicht absehbar. Oberste Priorität hat für uns derzeit, unseren Kunden vor diesem Hintergrund als verlässlicher Partner mit aktuellen Insights, Analysen und Best Practices aktiv zur Seite zu stehen und gemeinsam Wege aus der Krise zu finden. Dennoch: Die Branchendiskussion, welche Technologie den Third-Party-Cookie womöglich ablösen könnte und wie sich datenschutzkonformes und zugleich effektives Advertising weiterhin sicherstellen lassen, hat an Aktualität nichts eingebüßt. Um diesem Ziel näher zu kommen und die Zukunft aktiv mitzugestalten, haben wir kürzlich ein Konzept namens SPARROW beim World Wide Web Consortium (W3C) eingereicht. Wir wollen damit eine Diskussionsgrundlage schaffen, um das von Google in seiner Privacy Sandbox vorgeschlagene Konzept TURTLEDOVE gemeinsam weiterzuentwickeln. Nur durch einen Diskurs zwischen Technologieunternehmen, Browserherstellern, Werbetreibenden sowie Publishern lässt sich diese Herausforderung im Sinne aller Marktteilnehmer – insbesondere der Nutzer – lösen. Davon bin ich weiterhin überzeugt.
Andreas Fruth, Gründer und Managing Director der Global Savings Group
Direct to Consumer (D2C) wird dieses Jahr weiterhin ein wichtiger Trend bleiben und möglicherweise durch die Krise sogar einen extra Schub bekommen. In Zeiten von geschlossenen Geschäften haben sich viele Unternehmen notgedrungen entschieden, den direkten Online-Weg zum Kunden aufzubauen. Nichts spricht dafür, dass dieser neue effektive Vertriebsweg und die damit gewonnenen Kundendaten nach der Krise wieder durch einen Zwischenhändler ersetzt werden.
Björn Radau, Senior Director Marketing & Communications DACH bei Teads
Viele Werbungtreibenden haben in der ersten Jahreshälfte wegen Covid-19 ihre Budgets eingefroren oder komplette Kampagnen geschoben. Das ist nicht spurlos an der Branche vorbeigegangen und hat zu viel Verunsicherung geführt. Natürlich wird dadurch auch die Weiterentwicklung von innovativer Technologie wie künstlicher Intelligenz gehemmt, denn neue Investitionen werden jetzt verständlicherweise sehr bedacht getätigt. Allerdings zeigt sich in unsicheren Zeiten, wie wichtig intelligente Algorithmen sind, um eine durchdachte Brand-Safety-Strategie zu entwickeln, die auf semantisches sowie kontextuelles Targeting setzt und eben nicht nur auf pauschales Keyword-Blocking von Wörtern wie Corona. Qualitativer Journalismus ist momentan sehr wichtig und ausgereifte Technologie kann diesen unterstützen.
Benjamin Thym, Geschäftsführer der Offerista Group
Aufgrund weitreichender Auswirkungen auf den Handel durch COVID-19, ist die Kommunikation mit den Konsumenten anhand personalisierter Botschaften am richtigen Touchpoint wichtiger denn je. Trotz starker Einschränkungen des persönlichen Kontakts ermöglichen digitale Maßnahmen den Austausch mit dem Kunden zu jeder Zeit, kurzfristig umgesetzt, und gewährleisten zusätzlich den notwendigen Schutz. Solidarität für Hersteller und Handel zeigt sich auch darin, dass digitale Werbemaßnahmen jederzeit flexibel optimierbar sind, zur Erreichung der Erfolgsmaximierung und Kosteneffizienz.
Andrea Buzzi, Gründerin und Geschäftsführerin von Frau Wenk und The Medical Network
Auch wenn das Corona-Virus unser Leben derzeit stark beeinflusst, sind Themen wie der schwindende Einfluss des Cookies für die Digitalbranche nicht vom Tisch. Unternehmen, die Online-Marketing betreiben und Publisher, die Werbeplätze bereitstellen, müssen sich auch in diesem Krisenjahr damit auseinandersetzen. Auch Haltung ist gerade gefragter denn je. Ich bin mir sicher, ein Unternehmen, das jetzt nicht seinen gesellschaftlichen Beitrag durch gezielte Kommunikation glaubwürdig unter Beweis stellt, wird nachhaltig Schaden nehmen. Das Corona-Virus hat aber auch positive Aspekte und sich als echter Digitalisierungsbeschleuniger herausgestellt. Das gilt insbesondere für den Gesundheitsmarkt. Gewinner dieser Entwicklung ist E-Health. Die Branche profitiert gerade von den aktuellen Entwicklungen und es ergeben sich riesige Chancen für Serviceanbieter.
Willms Buhse, Gründer und CEO der Hamburger Managementberatung DoubleYUU und des Weiterbildungspartners D-cademy
Ich hatte bereits Anfang des Jahres gewarnt, dass es sich mit Verzicht schlecht wirtschaften lässt. Genau das erfahren wir gerade im Besonderen. Jedes Unternehmen muss sich mit dem Abklingen der Coronakrise fragen, wie es die Veränderungen für sich nutzen kann, um aktiv nachhaltiger und digitaler auf veränderte Kundenbedürfnisse einzugehen.
Was noch vor wenigen Monaten als strategische Innovation galt, ist deutlich schneller an vielen Stellen Realität geworden. Ein gutes Beispiel ist die Forderung der Gesellschaft nach Digitalisierung im Bildungs- und Gesundheitsbereich aber auch allgemein im Kundenkontakt.
Stephan Jäckel, Geschäftsführer der Telekom-Tochter Emetriq
Trotz Corona-Krise wird die Debatte über Qualitätsstandards und Messbarkeit von Daten in der Online-Werbung in der Branche weitergeführt, der Schwerpunkt hat sich aktuell stark auf die übergeordnete und notwendige Diskussion zu Werbewirkung insbesondere in der Bewegtbildmessung und der Frage, ob die Branche eine konvergente Videowährung braucht, verlagert. Für die Publisher ist Qualitätstargeting weiter ein strategischer Erfolgsfaktor. Sie könnten langfristig das Nachsehen haben, wenn Browser zur Kontrollinstanz für Datenweitergabe und Tracking aufsteigen. Für sie ist es daher jetzt an der Zeit, transparent zu agieren und in den Dialog mit ihren Nutzern über die Finanzierung der Inhalte zu treten.
Torsten Oppermann, Managing Director MSM.digital
Der stationäre Handel hat in der Corona-Krise eine einschneidende Zäsur erfahren, Geschäfte waren teilweise wochenlang geschlossen. Um hier nicht den Anschluss zu verlieren, ist es für lokale Geschäfte wichtiger denn je, sich vom Wettbewerb abzuheben und Kunden in die Läden zu locken. Händler sollten wissen, welcher Kunde im Laden ist und ihn über alle Touchpoints bedienen, um Traffic und Verkäufe zu steigern. Die modernen Customer Journey umfasst fünf Elemente: Kaufimpuls setzen, Informationssuche unterstützen, Kunden in die Geschäfte bringen, Sortiment anpassen sowie Kundenbindung. Außerdem wichtig: Aufmerksamkeit schaffen beispielsweise mit PR, Social Media und Blogger-Marketing. Das gelingt beispielsweise über eine Facebook-Kampagne, die Kunden auf eine Landing-Page schickt. Hier erhalten sie weitere Produktinformationen und können einen Termin in einem Retail-Outlet vor Ort vereinbaren. Der POS selbst überzeugt die Kunden dann idealerweise und sie hinterlassen Daten für Beratung und weitere Informationen. In Corona-Zeiten gilt vielleicht einmal mehr: Nur Hersteller und Händler, die alle Touchpoints bestmöglich verknüpfen, werden sich durchsetzen.