Autowerbung:
Automobilmarketing: "Wachstum gibt es nur mit Frauen"
Sind Frauen das neue China? - Mercedes hat ein offensives Frauenprogramm, und auch Autohäuser gehen immer besser mit ihren Kundinnen um. Warum das so sein muss und was Frauen wollen, erklärt Doris Kortus-Schultes, Leiterin des Kompetenzzentrums Frau und Auto.
Die Frau, das unbekannte Wesen: Die Automobilbranche hat anscheinend endlich ihre Kundinnen entdeckt. Warum das so sein muss und was Frauen wollen, erklärt Doris Kortus-Schultes. Die Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein leitet das interdisziplinäre Kompetenzzentrum Frau und Auto. Dort untersucht sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen seit 2003 die Bedürfnisse und Anforderungen Auto fahrender Frauen und erforscht, wie der gesellschaftliche Wandel neue Zielgruppen herausbildet.
Frau Kortus-Schultes, Dieter Zetsche sagte, Frauen seien das neue China. Haben Autohersteller das Thema ignoriert?
Über Gendermarketing reden wir schon länger. Denn der Markt in Deutschland ist gesättigt, auch wenn 2016 überraschend die Zulassungen steigen. Wenn Automarken in dieser Situation Wachstumsmöglichkeiten suchen, müssen sie die Frauen in den Fokus nehmen. Das wird zwar schon seit zehn Jahren gemacht, länger als die Autohersteller China im Blick haben. China kam aber gewissermaßen dazwischen mit einem sehr viel größeren Wachstumspotenzial. Doch in China, genauso wie in den USA, hat ein Teil des Wachstums damit zu tun, dass es sehr erfolgreiche Business-Frauen gibt. Das Thema Frauen hat über China wieder mehr Gewicht in Deutschland bekommen. Denn auch hier entstehen neue Frauentypen.
Auf welche Merkmale springen Frauen besonders an?
Frauen sind sehr empfänglich für Interieur-Design. Eine Frau lässt ihre Hand über den Stoff gleiten, während ihr Partner auf den Motorblock blickt. Aber auch Connectivity wird eine große Rolle für Frauen spielen.
Das ist ein Thema, das die ganze Branche umtreibt, inwiefern sehen Sie darin einen besonders weiblichen Aspekt?
Eine Frau nimmt heute mehrere Statusmodelle pro Tag wahr. Sie ist in der Früh Partnerin und Mutter, später Berufstätige, am Nachmittag vielleicht wieder Mutter, Tochter, Schwiegertochter. Frauen fahren täglich sehr viel mehr Kontaktpunkte an als Männer, auch wenn diese mehr Kilometer zurücklegen. Zwischen den Rollen ist das Smartphone heute ein wichtiges Verbindungsglied. Da wird es notwendig, das auch im Auto ohne Gesetzesübertretungen nutzen zu können.
Das erfordert aber selbst bei einem integrierten Display im Auto eine gesteigerte Multitaskingfähigkeit.
Ja, da sind die Konzepte noch zu wenig ausgereift. Aber gerade für Frauen werden selbstfahrende Autos sehr spannend sein, weil sie ihren Anforderungen und Wünschen entgegenkommen. In den Premium-Modellen heute gibt es auch schon gute Connectivity-Lösungen, wenn auch noch zu recht hohen Preisen. Doch wie so oft werden die Hersteller das über ihre Premium-Modelle in den Volumenmarkt bringen.
Anders Opel, wo es das Connectivity-Programm in allen Modellen gibt …
Ja, großes Lob für Opel. Und sehen Sie, da entscheiden Frauen mit, mit Tina Müller als Marketingvorstand und Mary Barra an der Spitze des Mutterkonzerns General Motors. Frauen sind in der Automobilbranche unterrepräsentiert, obwohl immerhin 51 Prozent der potenziellen Kunden weiblich sind. Wir haben in Deutschland nur etwa 36 Prozent Privatkäuferinnen. Sicher fahren auch viele Frauen Autos, die auf Männer zugelassen sind. Aber die Branche hat verstanden, dass Wachstum nur mit dieser Kundengruppe zustande kommen kann.
Auch Mercedes hat mit "She’s Mercedes" einen Vorstoß in diese Richtung unternommen. Wie schätzen Sie das ein?
Einen solchen Ansatz musste Mercedes wählen, um Frauen, vor allem jüngere Frauen, anzusprechen. Das ist schon sehr gut gemacht, auch wenn der Algorithmus beim Lifestyle-Konfigurator verbesserungswürdig ist. Dennoch: Mercedes reagiert darauf, dass sich Frauen anders mit dem Autokauf beschäftigen als Männer. Männer recherchieren weit im Voraus und gehen perfekt informiert ins Autohaus. Dann geht es in erster Linie um den besten Deal, vielleicht noch mit den Winterreifen obendrauf.
Und Frauen?
Verwenden viel weniger Freizeit für die Vorbereitung eines Autokaufs. Dadurch sind sie in Autohäusern deutlich lenkbarer. Technische Details sind weniger ausschlaggebend als dass ein Auto zur Lebenssituation passt.
Inwiefern sollte das dann auch in der Kommunikation berücksichtigt werden?
Frauen schätzen bei Autowerbung Humor. Die französischen Hersteller greifen das sehr gut auf. Männer wollen ernsthaftere Werbung. In den Autohäusern selbst hat sich einiges getan. Vor einigen Jahren, bei einer Reihe von Testkäufen mit Paaren, sprachen Verkäufer teilweise nur mit dem Mann, obwohl das Paar gesagt hatte, ein Auto für sie beide zu suchen. Da wurden nur schwarze Modelle gezeigt, weil er "Schwarz" sagte, obwohl sie Silber wünschte. Das ist zum Glück weitgehend Vergangenheit.