Losverfahren :
dpa reicht einen Platz im NSU-Prozess weiter
Den Platz, der dpa English Services im NSU-Prozess zugelost worden ist, will Noch-dpa-Lenker Wolfgang Büchner AFP und Thomson Reuters anbieten.
Nach den Querelen um die erneute Vergabe der Presseplätze im Münchner NSU-Prozess, die viele große Medien wie "Zeit" oder "FAZ" außen vor lässt, zeigt die dpa Größe: Die Gruppe stelle einen ihrer Berichterstatterplätze im NSU-Prozess anderen Nachrichtenagenturen zur Verfügung, heißt es am Dienstagvormittag in eigener Sache. Sie werde den Platz, der am Montag der dpa English Services GmbH zugelost worden ist, den Agenturen Agence France-Presse (AFP) und Thomson Reuters für eine gemeinsame Poolberichterstattung anbieten.
Noch-dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner (demnächst "Spiegel") erklärt: "Wir verzichten damit zwar auf die Möglichkeit, zeitlich parallel auf Deutsch und auf Englisch direkt aus dem Oberlandesgericht München berichten zu können. Wir freuen uns jedoch, wenn die dpa auf diese Weise dazu beitragen kann, dass weitere weltweit tätige Nachrichtenanbieter über diesen wichtigen Prozess aus erster Hand berichten können. Denn die Vielfalt des Nachrichtenangebotes ist auch vielen unserer Kunden wichtig - im globalen Maßstab ebenso wie auf dem deutschen Markt."
Das OLG München hat am Montag die 50 Medienplätze für den NSU-Prozess per Los vergeben - nach einer erfolgreichen Klage der türkischen Zeitung "Sabah" vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die erste Verteilung. Die dpa hat nun ebenso einen Platz erhalten wie die dpa English Services GmbH. Die dpa kommt trotz der Weitergabe eines Platzes nicht zu kurz: Für Kunden der dpa-Gruppe wird außerdem die Audio- und Videotochter Rufa aus dem Gericht berichten. Unterdessen prüfen die großen Unterlegenen wie "Die Zeit" eine Klage gegen das Losverfahren - sehr zum Schrecken der Opfervertreter, die auf keinen Fall eine erneute Verzögerung des Prozesses hinnehmen wollen.
Die Möglichkeit, feste Presseplätze anderen akkreditierten Journalisten zu überlassen, hat das Gericht dieses Mal eingeräumt. So ist dieser nachträgliche Tausch möglich. Verlage wie Gruner + Jahr, Springer oder auch Süddeutscher Verlag sind zumindest vertreten – auch wenn die Vergabe an ihre Titel "Brigitte", "Bild" und "SZ Magazin" erst einmal für Kopfschütteln gesorgt hat. Die Profiteure – kleine Lokalsender wie etwa die nichtkommerziellen Angebote Radio Lora München und Radio Lotte Weimar – könnten indes von ihrem Los profitieren und sich neue Hörerschichten erarbeiten. Die Chefredaktion von Radio Lotte kann die Verärgerung einiger Medien nach dem Losentscheid über die Presseplätze beim Münchner NSU-Prozess aber durchaus nachvollziehen. "Wenn sie das jetzt juristisch austragen wollen, kann man ihnen das nicht verwehren", meint Chefredakteur Shanghai Drenger gegenüber der "dpa". Er persönlich finde den Ausgang auch etwas unglücklich, das Auslosen sei aber legitim gewesen. Das kleine Weimarer Bürgerradio wird mit einem eigenen Reporter in München vor Ort sein. Der Sender und mit ihm andere Bürgermedien in Thüringen (unter anderem Radio F.r.e.i. Erfurt, Wartburgradio Eisenach und OK Gera) würden mit Friedrich Burschel einen erfahrenen Journalisten und Experten für Neonazismus in Deutschland entsenden, der an mehrere Jahre als Leiter der bundesfinanzierten Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus bei Radio Lotte und eine kurze Phase als unser Chefredakteur anknüpfen könne, heißt es auf Anfrage in der Programmdirektion.
Unterdessen steht fest, dass das OLG zumindest eine Nachverlosung einplanen muss - wegen Pannen bei der Vergabe von Plätzen an ARD-Sender. Der WDR gibt in der Folge ein Kontingent zurück, weil es fälschlicherweise und trotz Rückzug des Senders vom Gericht verteilt worden ist. Zudem überlegt ein freier Journalist den Gang nach Karlsruhe, weil er im ersten Anlauf einen Platz als Prozessberichterstatter ergattert hat, im Losverfahren dann aber nicht mehr zum Zuge gekommen ist.