
Programmatic Advertising:
Was Accentures Einstieg in den Media-Einkauf bedeutet
Accenture steigt ins Programmatic Buying ein und in der Media-Welt läuten die Alarmglocken. Sanofi-Mediachef Christof Baron sieht darin eine fast zwangsläufige Entwicklung.

Foto: Mindshare
Seit der Beratungskonzern Accenture vergangene Woche mitteilte, auch im Programmatic Advertising mitmischen zu wollen, läuten in der Media-Welt die Alarmglocken. Die Abteilung Accenture Interactive Programmatic Services (AIPS) hilft Werbungtreibenden künftig nicht nur beim Aufbau eigener Data-Management- und Einkaufsplattformen, sondern übernimmt auf Kundenwunsch neben Mediainvestment- und Kampagnenplanung auch den programmatischen Mediaeinkauf.
Networks wie WPP beeilten sich, ihre Kunden zu warnen, es gebe nun einen Interessenkonflikt bei Accenture, weil die Consultingfirma gleichzeitig auch Media Audits in Agenturen durchführe. Das Network ist über seine Trading Desks ebenfalls dick im Geschäft mit Programmatic Advertising.
Ebiquity sieht "rote Linie überschritten"
Accenture habe "eine rote Linie überschritten", findet auch Dietmar Kruse, der globale Chef von Ebiquity Media Services: "Ein Media-Auditor muss objektiv sein. Accenture hat jetzt aber ein vitales Eigeninteresse daran, Kunden gegen ein Agenturmodell zu beraten, um ihre eigene Programmatic-Unit in Spiel zu bringen". Das schade der Auditing-Branche insgesamt. Fraglich sei auch, ob Accenture als Wettbewerber der Mediaagenturen weiter die Dateneinsicht bekomme, die es als Media-Auditor brauche.
Ebiquity Media Services positioniert sich selbst als neutraler Schnittstellen- und Media-Investmentberater rund um den (programmatischen) Mediaeinkauf. Die Ebiquity-Firma Firm Decisions führt auch Finanz- und Media Audits durch.
"Der Wettbewerb ist mittlerweile gnadenlos"
Christof Baron, globaler Mediachef von Sanofi, hält den Vorwurf des Interessenkonflikts dagegen für "unbegründet". Baron kennt das Mediaagentur-Business wie wenig andere. Er war viele Jahre lang Top-Manager im WPP-Medianetwork Group M.
W&V hat Baron drei Fragen zum Thema gestellt:
Herr Baron, mit dem Einstieg in den programmatischen Mediaeinkauf dringt Accenture ins Gehege der großen Werbekonzerne ein. Ist das jetzt der "Sündenfall"?
Es ist eine fast zwangsläufige Entwicklung und letztlich die konsequente Weiterentwicklung des Service-Portfolios der Unternehmensberatungen. Sie bilden zunehmend alle Facetten im digitalen Marketing ab.
Für die Agenturnetzwerke begann der 'Angriff' der Unternehmensberatungen schon sehr viel früher und über alle Disziplinen hinweg - von der Kreation, Produktion, CRM, Content-Marketing über die Entwicklung von digitalen Plattformen bis hin zu E-Commerce. Dass nun Programmatic Buying dazukommt, ist nicht überraschend.
Viele wittern nun einen Interessenkonflikt mit dem Media-Audit-Bereich von Accenture. Sie nicht - warum?
Zum einen wird Accenture die Bereiche Media-Audit (Accenture Media Management) und den programmtischen Mediaeinkauf streng getrennt halten, um sich nicht selbst das Geschäft kaputt zu machen. Darüber hinaus sind die Vergleichsmöglichkeiten, die ein Auditor bei den hoch fragmentierten und sehr komplexen programmatischen Gebotsverfahren hat, ohnehin sehr limitiert.
Die Sorge der Agenturen besteht eher darin, dass hier ein in Unternehmen gut vernetzter Konkurrent mit klangvollem Namen auftaucht, der nun ebenfalls Mediainvestments im Digitalbereich managen kann.
Bei einem Konkurrenten wird es vermutlich nicht bleiben.
In der digitalen Welt gibt es keine Exklusivität mehr, für niemanden. Und die Wachstumsaussichten rund um das Thema digitale Transformation und digitales Marketing sind hervorragend. Der Wettbewerb ist mittlerweile gnadenlos, die Grenzen zwischen technischen Providern, Beratern, Vermarktern und Agenturen verschwimmen.
Alle Bereiche, in denen das Einkaufsvolumen keine Bedeutung hat und Preise kaum vergleichbar sind - weil das Inventar im Gebotsverfahren auf Basis von Daten eingekauft wird und am Ende Ergebnisse zählen - stehen jedem offen, der eine entsprechende Technologie- und Datenkompetenz hat.