ProSieben:
TV-Kritik "Fashion Hero": Homeshopping zur Primetime
Allen, die zuvor gemeint haben, Heidi Klum und "GNTM" würden durch "Fashion Hero" Konkurrenz bei ProSieben bekommen, muss man jetzt sagen: Nein. Wirklich nicht. Eine TV-Kritik von Petra Schwegler.
Die gehypte neue ProSieben-Castingshow "Fashion Hero" hat ihre Erwartungen nicht erfüllt – weder nach Marktanteilen, noch nach Inhalt. Zuschauer, die das Label "mit Claudia Schiffer" um 20.15 Uhr zum Bildschirm gezogen hat, dürften enttäuscht sein. Das äußerst attraktive Model tritt eigentlich nur als das auf, was sie ist: als Model. Eine nette 43-jährige Blondine, die mal am Jäckchen der Jungdesigner zuppelt oder die korrekte Aussprache ihres Vornamens haucht. Schade für alle, die geglaubt haben, der "Schiffer" würde in "Fashion Hero" eine ähnlich zentrale Rolle zukommen wie Heidi Klum bei "Germany’s Next Topmodel". Viel präsenter sind da die Einkäufer der Marken Asos, Karstadt und S.Oliver, wobei gerade Petra Winter als Neuzugang beim letztgenannten Modelabel souveräner auftritt als Schiffer. Immerhin: Sie hat als Ex-"Cosmo"-Chefredakteurin ja auch schon Erfahrung mit ProSieben-Casting-Auftritten als Partner von "GNTM". Petra Winter kauft ordentlich ein, damit auch S.Oliver - Sinn der Sendung - ab heute mit den frisch designten Stücken aus "Fashion Hero" aufwarten kann.
Überhaupt: Viel zu viel Personal huscht da übers Set und lenkt ab. Stylist Sascha Lilic und "Markenkommunikationscoach" Uta Huesch als "Mentoren" der jungen Couturiers umrunden Claudia Schiffer. Dann sind da die drei Einkäufer der Modemarken - wesentlich zentraler platziert (was den Werbungtreibenden stets freut). Hinzu kommt Moderator Steven Gätjen (er macht seinen Job gut). Zwischendurch tauchen immer wieder kurz zwei der eigentlichen Hauptdarsteller auf, die jungen Designer mit ihren in zwei Tagen entworfenen und genähten Entwürfen. Die jeweils zwei Präsentationen auf dem Catwalk gehen schnell über die Bühne und dadurch unter, die Mentoren selbst kommentieren hölzern. Gerne würde man noch mehr über die Arbeit der Designer erfahren, ihnen über die Schulter gucken, mehr über die wirklich sehenswerten Entwürfe erfahren. Nichts da – stattdessen muss der Zuschauer Lilic erblicken und erhören. Dabei erinnert er mit seiner Baskenmütze und dem Monokel stark an den bitterbösen Kritiker aus dem Pixar-Hit "Ratatouille". Huch, und das zur Primetime!
Gefehlt hat es bei der Tresor-TV-Produktion "Fashion Hero" vor allem an Spannung. Die Einkäufer bei "Fashion Hero" beurteilen die Qualität und Tragbarkeit der Designs und geben im besten Fall ein Angebot ab. Bei mehreren Interessenten gibt es einen Bieterwettstreit (nennen wir es "Geplänkel") und das höchste Gebot bekommt den Zuschlag. Designer, die ohne Gebot aus der Runde gehen, haben 30 Minuten Zeit für einen erneuten Mode-Auftrag und treten zum Schluss gegeneinander an, um doch noch den einen Sonderplatz für die nächste Runde zu ergattern. Das ist alles ganz schön viel für ein Format. Und vor lauter personellem Überbau – wie oben erwähnt – kommt die Mode selbst immer wieder zu kurz. Wer mag, kann sich online die ganze Folge ansehen und selbst ein Urteil fällen.
Fazit: Die halbdokumentarische Show "Fashion Hero" wirkt steif und holprig, zu ungeschickt um die Marken Asos, Karstadt und S.Oliver herumgeschneidert. Mag sein, dass sich nach der Premiere mehr Routine und Lässigkeit einstellt, die Hektik schwindet - und damit auch der Ruch eines Homeshoppingsenders (mit Glamoureffekt). Nur: Das Ganze ist vorproduziert. Und ob sich ProSieben nach dem schwachen Auftakt mit nur 910.000 werberelevanten Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren und lediglich 8,5 Prozent Marktanteil viel Zeit nimmt, ist fraglich. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein groß angekündigtes Format auf einem kleinen Sendeplatz oder im Nirvana endet. Allen, die zuvor gemeint haben, Heidi Klum und "GNTM" würden durch "Fashion Hero mit ein bisschen Claudia Schiffer" Konkurrenz bei ihrem Haussender ProSieben bekommen, muss man entgegen halten: Nein!