ARD, ZDF, Deutschlandradio:
TV-"Zwangssteuer": So schießt sich "Bild" auf den Rundfunkbeitrag ein
Springers "Bild" nutzt den Wechsel hin zum Rundfunkbeitrag, um erneut gegen Öffentlich-Rechtliche zu schießen - mit krassen Beispielen.
"Bild" hat bereits einen Begriff für den neuen Rundfunkbeitrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio gefunden, der seit 1. Januar die bisherige Rundfunkgebühr ersetzt und pro Haushalt zu entrichten ist: die TV-"Zwangssteuer". Sie solle vor allem dazu dienen, die Einnahmen der Öffentlich-Rechtlichen zu steigern, rügt Springers Boulevardblatt am Donnerstag und setzt damit seine Reihe besonders ARD- und ZDF-kritischer Artikel fort. Und führt ein – in der Tat – krasses Beispiel an: Demnach zahlte die Drogerie-Kette Rossmann bisher für ihre 1559 Filialen und 473 Autos 35.000 Euro Gebühren im Jahr. "Jetzt sollen es 402.000 Euro sein – eine Steigerung von 1300 Prozent", rechnet "Bild" vor. Das liegt an der Neuregelung nach Unternehmensgröße und bei den Kraftfahrzeugen.
Die Zeitung zitiert aus einem Protokoll des NRW-Medienausschusses, dem der ehemalige Chef der bisherigen Gebühreneinzugszentrale GEZ, Hans Buchholz, mitteilte, die Einnahmensteigerung sei eine Vorgabe der Politik. "Wir haben die Aufforderung, das Beitragsaufkommen um ein Prozent zu steigern. Das ist in den Reformberechnungen der Ministerpräsidenten berücksichtigt", zitiert "Bild" aus Buchholz‘ Aussagen. Dem Blatt zufolge gehen Experten davon aus, dass sich die Beiträge gar um mindestens zehn Prozent steigern würden – von zuletzt 7,5 auf etwa 8,3 Milliarden Euro pro Jahr. Die GEZ wird seit Jahresanfang vom neuen Kölner Beitragsservice ersetzt.
Fakt ist allerdings: Die Länder haben durchaus offen festgehalten, dass der Wechsel zum neuen Gebührensystem wieder mehr Zahler und mehr Einnahmen für die öffentlich-rechtlichen Sender erbringen soll. Über die Jahre haben ARD, ZDF und Deutschlandradio immer mehr an Gebühren verloren. Beispiel 2010: Damals musste der ehemalige GEZ-Mann Buchholz verkünden, dass die Einnahmen mit 7,54 Milliarden Euro knapp 60 Millionen Euro unter den Vorjahreserträgen lagen. Die Gründe damals: ein weiterer Rückgang der angemeldeten Geräte und die stets steigende Zahl von Befreiungen von der Abgabe. Die Rückgänge waren mit ein Grund dafür, warum die Rundfunkgebühr mit dem Segen der Bundesländer ab 2013 auf ein Haushaltsmodell umgestellt wurde und die "Gebühr" nun "Rundfunkbeitrag" genannt wird. Zuvor wurden die 17,98 Euro gerätebezogen von der GEZ erhoben.
Im Gegenzug müssen ARD und ZDF fürs Erste weitgehend aufs Sponsoring verzichten. Wie weit ein mögliches Werbeverbot als "Gegenleistung" reichen könnte, soll in den Ländern debattiert werden, sobald die Gebührenkommission KEF im Laufe dieses Jahres die neue Einnahmesituation durchleuchtet hat. Einig sind sich die Länder, dass die Abgaben so lange wie möglich bei 17,98 Euro pro Monat und Haushalt gehalten werden sollen. Parallel dazu arbeitet eine Arbeitsgruppe in der Staatskanzlei Sachsen an Sparvorgaben für die öffentlich-rechtlichen Senderfamilien. Die KEF selbst hat dem ZDF auferlegt, von seinen etwa 6000 Arbeitsplätzen etwa 400 "Vollzeitäquivalente" abzubauen.
Nichtsdestotrotz trifft die Umstellung auf das beitragsstabilere Haushaltsmodell, bei dem jeder zahlen muss und laut "Bild" mit fast 850.000 neuen Zahlern gerechnet wird, gerade Unternehmen besonders hart. So muss dem Blatt zufolge der Auto-Vermieter Sixt nach dem neuen Gebührenmodell nach eigener Berechnung jährlich mindestens 150.000 Euro mehr an ARD und ZDF überweisen. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer Deutscher Industrie- und Handelskammertag, gegenüber "Bild": "Vielen Unternehmen wird die Reform eine böse Überraschung bescheren."
Indes erntet das System ARD aus den eigenen öffentlich-rechtlichen Reihen Kritik. Der ehemalige Intendant des Deutschlandradios, Ernst Elitz, reibt sich an der Organisation des Senderverbundes. "Jede noch so gute Idee wird in unzähligen Gremiensitzungen zerredet. Jeder Intendant redet mit, aber niemand entscheidet", sagt er in einem Interview mit dem "Stern". Elitz schlägt eine radikale Neuordnung des Systems vor: "Wir leisten uns nur noch ein nationales Programm namens ZDF. Die ARD konzentriert sich auf die Landesprogramme. Sie ist der Sender für die Regionen." Dazu kämen Phoenix als Informations- und Nachrichtenkanal plus ein Kulturkanal, vereinigt aus 3sat und Arte. "Diese Idee wäre nicht zu unserem Nachteil", erläutert Ernst Elitz im "Stern". Sie würde sicher weniger Rundfunkbeiträge verschlingen...