"Bild" vs. ZDF: "Kein zimperliches Gefecht"
Hans Mahr war selbst lange Jahre Printmacher und Chefredakteur bei RTL. Er geht im Interview mit W&V Online auf die Prügel ein, die das ZDF derzeit für vermutliche Schleichwerbung von der "Bild" bezieht. Mahr: "Das ist ein Echo."
Mehr Gebühren für ARD und ZDF? Unmengen an Schleichwerbung im Zweiten? Aufregerthemen, die über die Medienbranche hinaus Leser finden - erst recht jetzt, wo feststeht, dass das ZDF in einem Film von Oliver Berben Ungereimtheiten bei der Produktplatzierung einräumen muss und die Kooperation mit ihm auf Eis liegt. Ganz besonders hart bleibt dabei das Springer-Blatt "Bild“ den Öffentlich-Rechtlichen auf den Fersen – zuletzt mit der Akte "Schleichwerbung“, die die Tageszeitung rund um verdächtige Produktplatzierungen in namhaften ZDF-Produktionen geöffnet hat. W&V Online spricht über die "Bild“-Schelte mit Hans Mahr. Er kennt das Print- wie das TV-Lager: Der Österreicher - Ex-"Kronen Zeitung“-Chef und langjährige RTL-Chefredakteur - ist heute Medienberater und unter anderem Herausgeber des Genießer-Titels "Falstaff“ für Deutschland.
Herr Mahr, glaubt man der aktuellen "Bild“-Reihe über Schleichwerbung im ZDF, dann entstammen die großen Produktionen der Mainzer überwiegend unseriösen Partnerschaften mit Produzenten und Werbekunden. Geht die Kritik der "Bild“ zu weit?
Ich sehe es aus der Entfernung zwar entspannt. Doch es steckt leider viel Wahres dahinter. Sich auf der einen Seite staatstragend zu geben und mit dem nackten Finger auf die Privaten zu zeigen, aber auf der anderen Seite selbst so zu handeln, ist natürlich ein fragwürdiges Vorgehen der Öffentlich-Rechtlichen. Ich habe durchaus ein gewisses Grundverständnis dafür, dass über viele verschiedene Wege versucht wird, die Produktionskosten zu reduzieren. Gerade jetzt, wo die Produktionslandschaft so unter Druck geraten ist und Unterstützung braucht, um weiter Qualität produzieren zu können. Nur: Dann sollte man den Mund nicht so weit aufreißen und alle andere beschuldigen, wenn man selbst im Glashaus sitzt.
Was steckt aus Ihrer Sicht hinter den "Bild“-Kampagnen?
Eines ist klar – und in der Sache ist "Bild“ sicher Vorkämpfer: Wir haben einen der stärksten öffentlich-rechtlichen Auftritte auf der ganzen Welt mit der wahrscheinlich höchsten Subventionierung, rund 20 Programmen und der erklärten Absicht, diese Marktposition auch in die neuen Medien zu verlagern. In diesem Moment tritt der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mehr nur auf die kommerziellen Sender, sondern auch auf die privatrechtlichen Verleger. Plötzlich werden die Öffentlich-Rechtlichen Konkurrenten von Zeitungen und Magazinen. Natürlich sagt hier der Springer-Verlag: Lasst uns denen mal auf die Finger klopfen!
Aus dieser Sicht würde "Bild“ als Marketing-Maschine der Verleger-Interessen handeln?
Das geht zu weit. Ich will nicht sagen, dass die Berichte gesteuert sind. Aber es ist sicher legitim, dass sich Verleger wehren, wenn die Öffentlich-Rechtlichen staatstragend auftreten, aber wie im Fall "Tagesschau“-App privatrechtlich handeln und - unterstützt durch Milliarden-Subventionen - auch der Printbranche Konkurrenz machen. Sicher vertritt "Bild“ die Überzeugung des Hauses Springer, aber durchaus auch die der anderen Verleger.
"Bild deckt in einem großen Report auf, wie im ZDF systematisch verbotene Schleichwerbung betrieben wurde“, so die Ankündigung Springers. Ist die Wortwahl angemessen?
Wer die Aussendungen der öffentlich-rechtlichen Intendanten über die Jahre hinweg gelesen hat, der weiß, dass das kein zimperliches Gefecht ist. Die Öffentlich-Rechtlichen brauchen nicht wehleidig zu sein, wenn von privater Verlegerseite Deftiges zurückkommt. Wenn ich nur daran denke, zu welchen Aussagen sich der eine oder andere Intendant in Richtung RTL verstiegen hat! Da muss ich schon sagen: Wenn die Herrschaften etwas auf den Deckel bekommen, ist das ein Echo.
Die Intendanten haben von „Bild“ schon einiges auf den Deckel bekommen. Trägt die Print-Kritik Früchte?
Die bisherigen Berichte haben sicher dazu beigetragen, dass die Öffentlich-Rechtlichen vorsichtiger geworden sind. Es schärft die Sensibilität der Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Bereich durchaus, wenn es ab und zu Kritik gibt. Wenn mehr Augen darüber wachen, wird es vielleicht besser – so wie beim Aufdecken der Skandale bei "Marienhof“ oder im Fall Doris Heinze beim NDR. Schließlich bedient sich der öffentlich-rechtliche Apparat auch gerne selbst. Wenn mehr Kontrolle dazu führt, dass bei den Öffentlich-Rechtlichen auch endlich kostenbewusster und im Sinne der Gebührenzahler gehandelt wird, dann wäre schon viel erreicht - auch im Sinne eines funktionierenden Dualen Systems. Vielleicht wird ja in Zukunft von den Öffentlich-Rechtlichen weniger staatstragender Wein gepredigt und dann kommerzielles Wasser getrunken.