Anwalt Christian-Oliver Moser:
Steueraffäre Uli Hoeneß: Darf man Zahlen nennen?
Dürfen Medien in der Steueraffäre Uli Hoeneß über die Höhe der "Rücklagen" des FCB-Präsidenten in der Schweiz spekulieren? W&V Online hat bei Medienanwalt Christian-Oliver Moser nachgehakt.
In einer Grauzone bewegt sich nicht nur FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß, dem möglicherweise wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und eventuell lückenhafter Selbstanzeige Anfang des Jahres eine strafrechtliche Verfolgung droht. Auch die berichterstattenden Medien begeben sich in der Affäre – zum Teil – auf Glatteis. Auszurutschen drohte etwa bereits die Münchner "Abendzeitung", die Hoeneß gleich nach Aufdecken der Steuer-Causa durch den "Focus" verklagen wollte. Grund: Sie hatte unter anderem über die Höhe der in der Schweiz gebunkerten Gelder spekuliert.
Doch hätte Uli Hoeneß überhaupt eine Chance, gegen derlei Gerüchte zu klagen? W&V Online hat beim Berliner Fachanwalt Christian-Oliver Moser nachgehakt, der für die Kanzlei Moser Bezzenberger wirkt. Sie ist auf gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Medienrecht spezialisiert. Moser betont auf Anfrage: "Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat für den Bereich der so genannten Verdachtsberichterstattung klare Regeln aufgestellt. Sämtliche Spekulationen, die nicht auf eigenen Einlassungen des Betroffenen, also in diesem Fall auf Aussagen von Hoeneß selbst oder auf einem so genannten Mindestbestand an Beweistatsachen beruhen, verbieten sich hier. Erschwerend kommt im vorliegenden Fall das Steuergeheimnis hinzu."
Doch: Der Fall Hoeneß ist ein besonderer. "Für die Journalisten streitet allerdings das überragende öffentliche Interesse an dem Fall", wirft Moser ein. Dann muss das Ganze aber auch Hand und Fuß haben: Das "überragende öffentliche Interesse" rechtfertige nämlich "keine Spekulationen, für die es nicht einmal eine seriöse Quelle gibt", so der Berliner Anwalt. Spekulieren über Millionen wäre ergo dann möglich, wenn die Informationen aus glaubhaften Quellen kommen und belegt werden können.
Moser äußert sich auf Anfrage von W&V Online auch noch zu einem Nebenverfahren im Fall Hoeneß: Eine Münchner Anwaltskanzlei, die nicht vom Fußball-Granden beauftragt ist, hat Strafanzeige gegen Verantwortliche der Justiz gestellt. Vorwurf: Geheimnisverrat, weil die Selbstanzeige von Hoeneß nicht geheim gehalten worden sei. Der Kölner Medien- und Politikwissenschaftler Frank Überall hält das Vorgehen der Anwälte für problematisch und nennt das Vorgehen im Gespräch mit dem Branchendienst Newsroom.de "reines Schaulaufen". Die möglicherweise undichte Stelle lasse sich in solchen Fällen kaum herausfinden, den klagenden Anwälten gehe es "nur um Publicity".
Den Vorgang stuft Christian-Oliver Moser anders ein: "Es mag zwar den Kollegen auch um Publicity gegangen sein. Das Anliegen ist aber legitim. Ich beobachte mit zunehmender Besorgnis, dass vertrauliche Informationen aus Ermittlungsakten zum öffentlichen Gut werden." Moser hat bereits eigene Erfahrungen gemacht: "Ich habe in meiner Praxis sogar schon mehrfach erlebt, dass Anklageschriften der Presse vorlagen, bevor der Betroffene oder seine Verteidiger hiervon Kenntnis erlangt haben. Das hat mit einem rechtstaatlichen Verfahren wenig zu tun und kann auch nicht damit abgetan werden, dass es bei der Justiz einfach zu viele undichte Stellen gibt." Er befürchte zwar leider auch, "dass die Strafanzeige im Fall Hoeneß keine Ergebnisse bringen wird". Das Zeichen, das hiermit gesetzt werden solle, hält Moser unterdessen für "für richtig und wichtig". Der Berliner Anwalt ist derzeit in einem ähnlich prominenten Verfahren involviert: Er vertritt den Filmproduzenten David Groenewold, der im Korruptionsverfahren gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff mitangeklagt ist.
Doch zurück zur Causa Uli Hoeneß: Sauberer Journalismus zahlt sich auch hier aus. Die Wochenzeitung "Die Zeit" hat vergangene Woche ein Exklusivinterview mit dem Steuersünder veröffentlicht. Dass Cathrin Gilbert, Hans Werner Kilz und Stephan Lebert mit dem FCB-Präsidenten sprechen konnten, rechnet sich für die Hamburger: Die digitalen Einzelverkäufe über den hauseigenen pdf-Kiosk auf Zeit Online und der Einzelverkauf der "Zeit"-App über den AppStore bei Apple sind mit der Ausgabe signifikant höher als zu einem "normalen" Verkaufsstart, wie beim Verlag zu erfahren ist. Auch die Druckauflage hatte das Blatt etwas erhöht. An der Steueraffäre Hoeneß dürfte der deutsche Fiskus ganz ordentlich verdienen.