Burda:
Wie der "Focus" von der Hoeneß-Affäre profitiert
In der Steueraffäre um Uli Hoeneß gibt es bisher eigentlich nur Verlierer: Hoeneß selbst, seinen Verein, die Sponsoren und Werbepartner. Aber mindestens ein Gewinner steht fest: das Nachrichtenmagazin "Focus", dem seit Jahren eine zu große Beliebigkeit seiner Themenauswahl nachgesagt wird. Und in der Redaktion sitzt vielleicht sogar ein stiller Genießer ...
In der Steueraffäre um Uli Hoeneß gibt es bisher eigentlich nur Verlierer: den FC-Bayern-Präsident selbst, den Verein und deutschen Meister, der um den Sieg der Champions League und damit um den begehrten Titel-Triple ringt, die wild spekulierenden Medien, denen Hoeneß mit Klagen droht, den Sportartikelhersteller Adidas, der als Anteilseigner des FC Bayern besonders eng mit dem Rekordmeister verbandelt ist oder auch die Hypovereinsbank, die nun auf ein gefallenes ehemaliges Testimonial seiner Finanzprodukte blickt. Aber es gibt auch einen Gewinner: das Nachrichtenmagazin "Focus", dem seit Jahren eine zu große Beliebigkeit seiner Themenauswahl nachgesagt wird.
Damit ist diese Woche Schluss: Das Burda-Blatt hat den Fall in seiner aktuellen Ausgabe aufgedeckt und unter der Überschrift "Steuer: Hoeneß unter Verdacht" sehr sachlich über das Ermittlungsverfahren gegen den Fußball-Funktionär berichtet. Bereits am Samstag hat "Focus" das Thema richtig ins Rollen gebracht, als das Team unter Chefredakteur Jörg Quoos einen Tag früher als üblich mit einer Vorabmeldung an die Presse gegangen ist – mit riesigem Erfolg: Große Tageszeitungen wie die "SZ" zogen nach, ARD-Talker Günther Jauch änderte spontan sein Gesprächsthema für Sonntagabend, das Burda-Heft war spätestens am Montag überall zitiert - sogar in der internationalen Presse. Jetzt ist aus dem "Focus"-Reich zu hören: "Noch nie haben wir mit einem Thema so einen Durchschlag erlebt!" Prompt gibt es einen Imagefilm, in dem Quoos über die Recherchen spricht.
Dabei dürfte es nicht so einfach gewesen sein, sich mit "Focus"-Gründer und –Herausgeber Helmut Markwort auf das Procedere zu einigen. Dieser steht als Verwaltungsbeirat des FC Bayern seit Jahren in engem Kontakt mit Uli Hoeneß. Markwort hat nach eigenen Angaben erst durch die Recherchen der Kollegen des Investigations-Teams um Christoph Elflein im Berliner "Focus"-Büro von dem Steuervergehen des Wurstfabrikanten erfahren. Dem engen Draht zwischen Markwort und Hoeneß dürfte der Umstand geschuldet sein, dass der Bericht nüchtern und faktenorientiert ausgefallen ist und kaum mehr als eine Textseite umfasst. Zu wenig Umfang, um ein Titelthema zu bestreiten. So kommt es, dass der "Focus" den größten Coup seit Langem nur mit einem Balken am unteren Rand des Covers anreißt.
Aufs Image des Blatts dürfte auch einzahlen, dass Uli Hoeneß nach Vorlage der seit Wochen zusammengetragenen Fakten Ende vergangener Woche dem "Focus" als einzigem Medium per Zitat bestätigt hat, dass er sich im Januar beim Finanzamt selbst angezeigt hat. Kollegen anderer Medien ist im Nachgang eigentlich nur noch gelungen, ein "Kein Kommentar" oder gar eine Drohung einzufangen. Auch wenn "Focus" der Auslöser des riesigen Medienwirbels war: Das Burda-Team rechnet nicht damit, dass Hoeneß gegen den Artikel klagen wird, wie ein Sprecher betont. Die Fakten seien belegt. Ob sich der Clou auch in harten Verkaufszahlen des seit Jahren schwächelnden "Focus" ausdrückt, wird sich zeigen.
Übrigens: Eigentlich hätte der "Focus" einen weiteren Kenner des FC Bayern an Bord. Seit einigen Wochen wirkt Gerald Selch als stellvertretender Chefredakteur mit. Er war zuletzt Vize-Chef und Leiter des Unterhaltungsressorts der "Bild"-Zeitung, kennt aber das Münchner Fußball-Geschäft bestens aus seiner Zeit als Sportressortchef der "tz". Zusammen mit Max Breitner, Sohn des Ex-Bayern-Stars und Fußball-Weltmeisters Paul Breitner, überhob er sich 2006 bei einer Enthüllung über angeblich an Wettmanipulationen beteiligte Profis der Münchner Klubs FC Bayern und 1860. Allen voran regte sich damals Bayern-Manager Uli Hoeneß auf - äußerst lautstark. Allein bei Richtigstellungen und Widerrufen im Blatt blieb es in der Folge nicht: In einer auf der Titelseite gedruckten Entschuldigung hieß es wenige Tage später, Selch habe die Verantwortung für die Berichterstattung im Fußball-Wettskandal übernommen und scheide "im gegenseitigen Einvernehmen aus der "tz"-Redaktion" aus. Auch der Sportjournalist Max Breitner musste gehen. Er tauchte allerdings ein Jahr später an prominenter Stelle wieder auf: in der Pressestelle des FC Bayern. Selch war nach "Focus"-Angaben an den Recherchen zur Steuersache Hoeneß nicht beteiligt.
In den Medien hat sich der "Focus"-Scoop schon jetzt fest verankert. Es bleibt abzuwarten, ob der FC Bayern mit dem Einkauf des BVB-Lieblings Mario Götze lange (und überhaupt) vom Skandal in seiner Chefetage ablenken kann - den er wohl über die Achse "Bild" durchgestochen hat, wie Branchengerüchte vermuten lassen.