Wie stark sich die Einbindung der Zielgruppen via Facebook, Twitter und Co. auf die Marktanteile auswirken kann, belegt das aktuelle Beispiel der Sat.1-Telenovela "Im Fall ‚Anna und die Liebe‘ haben wir dank der Aktivierung vor der Sendung und den begleitenden Maßnahmen gemeinsam mit den Senderkollegen die Quote seit Jahresbeginn um knapp drei Prozentpunkte erhöhen können“, so das Team um Benninghoff. Social TV hinterlässt hier sogar schon seine Duftmarken im Drehbuch: Mit der Daily Soap "Anna und die Liebe" (AudL) ist das Unternehmen noch einen Schritt weitergegangen und drehte zehn Folgen zuerst nur fürs Netz – eine "Webisode“ mit dem Untertitel "Der King". Dabei ist allein online ein neuer Charakter eingeführt worden, der dann im zweiten Schritt auch tatsächlich in der TV-Ausstrahlung erschienen ist. Die User durften dabei Regie führen, sprich Anregungen geben, die dann mit einflossen. Erst danach kam die Ausstrahlung im Fernsehen. ProSiebenSat.1 spricht von "User-generated-TV-Content" oder auch „Transmedia". Inzwischen sei ein Dreiklang zwischen Produzenten, TV und den Usern gefunden worden.

Eine wichtige Lehre hat ProSiebenSat.1 gezogen: Social TV eignet sich besonders für alle eventgetriebenen Formate wie "Germany´s next Topmodel" oder Fußball und tägliche Formate mit einer großen Fanbasis – "TV Total" beispielweise hat sich mit rund 850.000 Fans auf der Facebook-Seite an die Spitze der deutschen Formatseiten gesetzt (und führt die sechs ProSiebenSat.1-Formate an, die in der Top Ten der beliebtesten deutschen Sendungseiten bei Facebook rangieren).

Voraussetzung für den Erfolg im Social TV sei, dass die Zielgruppe stimmt, heißt es. Die hat sich der Konzern, der beispielsweise mit ProSieben ein junges und gut verdienendes Publikum bedient, genauer angeschaut. ProSiebenSat.1 Digital verweist auf aktuellen Studien, wonach bereits 65 Prozent der 14- bis 29-Jährigen während des Fernsehens ab und an im Netz weilen. 75 Prozent schreiben E-Mails, knapp die Hälfte ist in sozialen Netzwerken unterwegs und 39 Prozent nutzen den Instant Messenger. Die Erfahrung bei ProSiebenSat.1 zeigt: Je mehr Wirbel im Social Web erzeugt wird, desto stärker wird die Nutzung auf allen Plattformen - auch im TV. Facebook sorgt dabei für schätzungsweise ein Drittel der „Buzz“ genannten Kommentare und Verweise der Nutzer auf die Formate. Bei ProSieben wird besonders viel gewirbelt: Alle Facebook-Offerten des Senders zusammen genommen bringen es auf 3,77 Millionen Fans. ProSieben belegt im Facebook-Ranking der deutschen Medienmarken Platz drei - hinter "Bild" und "Viva".

Ein Beispiel, das ProSiebenSat.1 hervorhebt, ist "Germany´s next Topmodel": Die aktuelle Staffel startete im März dieses Jahres. Bereits im November 2010 hat ProSiebenSat.1 Digital angefangen, die ersten Facebook-Seiten hochzuladen. Die Top-50-Kandidatinnen konnten im Februar – einen Monat vor Staffelstart – auf ProSieben.de angesehen und von den Nutzern bewertet werden. Zwei Wochen vor Start folgten Videobotschaften der Top 50. Mit großer Resonanz: An dem Tag, als die Top 50 online gestellt worden sind, hat ProSieben.de über eine Million Page Impressions gezählt - ohne dafür zu werben. Hinzu kamen neue Social-Media-Maßnahmen: Die User konnten ihre Favoritin durch einen Klick auf den "Gefällt mir"-Button auf ihre Facebook-Pinnwand posten. Rund 200.000 Fans hat das Format dort. Die Begeisterung für die Show spiegele sich aber in erster Linie auf den eigenen Seiten wider, heißt es: „Allein in der Finalwoche und der Woche darauf konnten wir die Video-Gesamtreichweite im Vergleich zum Vorjahr um über 120 Prozent steigern. Bei den Highlight-Clips waren es sogar mehr als 150 Prozent. Und auch die Resonanz auf unser Voting war top: hier hatten wir eine Millionen Klicks“, rechnet das Team vor, das bei der Masse an übergreifenden Aktivitäten offen lassen muss, wie viele Mitarbeiter an Social TV mitwirken und welche Kosten dabei entstehen.

In erster Linie verbreiten sich diese Maßnahmen viral. Freilich kommt auch Unterstützung durchs TV: So werden die Zuschauer beispielsweise vor der Werbepause durch Werbebanderolen im TV zum Voten im Web aufgefordert. Auch appelliert der Konzern an den Spieltrieb der Zuschauer und greift mit "ProSieben Connect" den Trend zur Parallelnutzung von TV und Internet oder Smartphones auf. Das heißt, Nutzer können auf ProSieben.de mit Freunden während der Sendung chatten oder über die Inhalte abstimmen und mitraten – in Echtzeit. "Wir haben festgestellt, dass in der Werbepause die Server der Social Networks zu rauchen anfangen, weil viele Zuschauer Online gehen. Das wollen wir auch für unsere Angebote nutzen“, heißt es bei ProSiebenSat.1.

Der straff geführte Medienkonzern mit seinen 136 Marken im Social Web hat natürlich immer ein Interesse daran, das Gezeigte möglichst effizient in bare Münze umzusetzen. Social TV hilft auch hier, indem „Werbefläche für Bewegtbildwerbung“ geschaffen wird. „Wir sehen uns auch in der Vermarktung als Innovationsführer: Wir kombinieren unseren hochwertigen Content mit den Werbemitteln“, heißt es auf Anfrage selbstbewusst. Nach wie vor sei die Nachfrage nach Instream-Werbung größer als das Angebot.

Social Media hat ProSiebenSat.1 regelrecht erobert – wenn man bedenkt, dass der stellvertretende ProSieben-Geschäftsführer Christoph Körfer für viele abgesetzte Tweets selbst verantwortlich ist. "Wenn wir bei Twitter und Facebook nicht präsent wären, dann würde unserer Marke etwas fehlen", hat der Manager zuletzt auf den Tutzinger Radiotagen im September betont.

Vergleichen Sie selbst, wie Social Media bei MTV, Gruner +Jahr oder RTL in die Arbeit integriert wird.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.