Zielgruppenstreit:
Pro Sieben Sat.1 verabschiedet sich von "14 bis 49"
Neue Runde im Zielgruppenstreit: Mit dem Vorstoß zur Abschaffung der Referenzzielgruppe lässt Pro Sieben Sat.1 den Konkurrenten RTL elegant ins Leere laufen.
Im Streit um die TV-Referenzzielgruppe macht die Pro Sieben Sat.1-Gruppe den nächsten Zug. Der Vermarkter Seven One Media verabschiedet sich weitgehend vom Maßstab "14 bis 49 Jahre", der rund 30 Jahre lang die im TV-Werbegeschäft gültige Reichweitenwährung war. Die Sendergruppe will die Einschaltquoten und Reichweiten ihrer Sender künftig in so genannten "Relevanzzielgruppen" ausweisen.
Diese Relevanzzielgruppen liegen deutlich näher an den tatsächlichen Planungszielgruppen der Werbekunden. Ab August werden die Zuschauermarktanteile für den Sender Sat.1 in der Zielgruppe 14 bis 59 Jahre gezählt, für Pro Sieben in der Zielgruppe 14 bis 39 Jahre und für Kabel 1 wie bisher in der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre. Der Frauensender Sixx wird als weibliches Pendant zu Pro Sieben in der Zielgruppe Frauen 14 bis 39 Jahre ausgewiesen, der älter positionierte Schwestersender Sat.1 Gold in der Zielgruppe Frauen 40 bis 64 Jahre. Der in Kürze startende Männersender Pro Sieben Maxx wird in der Zielgruppe Männer von 30 bis 59 Jahren ausgewiesen.
Seven-One-Media-Geschäftsführer Thomas Wagner begründet den Schritt mit dem "vielfältiger und komplexer gewordenen Fernsehmarkt". Die bisherige "Gleichmacherei" mit der Referenzzielgruppe werde den Positionierungen der Sender nicht mehr gerecht, argumentiert Wagner. Die jetzige Lösung schaffe mehr "Transparenz im Markt" und sei "näher an den Bedürfnissen der Mediaagenturen und Werbekunden".
Vollkommen konsequent ist die Verabschiedung von der Referenzzielgruppe 14 bis 49 allerdings nicht. Wenn die Pro Sieben Sat.1 Media AG den Zuschauermarktanteil der gesamten Sendergruppe berechnet, will sie das auch in Zukunft auf der Basis der Zielgruppe 14 bis 49 tun.
Der Schritt der TV-Gruppe ist ein politischer Schachzug und eine Reaktion auf den Konkurrenten IP. Der propagiert seit März die Zielgruppe 14 bis 59 Jahre (W&V berichtete). Damit setzt der Vermarkter der RTL-Gruppe einen Maßstab, der vor allem Pro Sieben, den wirtschaftlich erfolgreichsten Sender der Unterföhringer, im Vergleich zum eigenen Kanal Vox deutlich schlechter aussehen lässt. Ursprünglich hatten die Kölner für die neue Referenzzielgruppe 20 bis 59 Jahre geworben. Mit dem Umschwenken auf 14 bis 59 erhöhte die RTL-Gruppe den öffentlichen Druck auf Pro Sieben Sat.1. Weitere Sender wie Sky und Tele 5 schwenkten ebenfalls auf die ältere RTL-Referenz ein. Mit seiner Replik lässt Wagner nun IP-Chef Matthias Dang elegant ins Leere laufen. Er entzieht sich der Diskussion um die richtige Referenzzielgruppe, indem er diese Kategorie in seiner Kommunikation einfach abschafft.
Auf die Stimmung auf dem Markt kann sich Wagner dabei durchaus zu Recht berufen. Die Branche verfolgt den öffentlichen Schaukampf der TV-Vermarkter nämlich seit Jahren zunehmend genervt. Die so genannte Referenzzielgruppe spielte in der Mediaplanung von Werbekunden und Mediaagenturen ohnehin nie eine echte Rolle. Sie diente lediglich als kleinster gemeinsamer Nenner für die Betrachtung des Fernsehpublikums: eben des Teils, der für die werbungtreibende Wirtschaft als relevant galt. Der einstige Konsens ist mit dem Seven-One-Vorstoß nun endgültig aufgekündigt worden. Ein neuer Konsens ist nicht in Sicht.