Harald Müsse :
Printmarken unterm Spardiktat: "Es wird nicht reichen"
Bis zu 200 Stellen streicht die "FAZ" bis ins Jahr 2017, Gruner + Jahr kappt sukzessive 400 Jobs. Doch es gehen meist die Falschen, meint Printkenner Harald Müsse im Gespräch mit W&V Online.
Eine neue Sparwelle trifft die Meinungsführermedien. Massive Stellenstreichungen bei der FAZ GmbH oder bei Gruner + Jahr respektive "Stern" und umfassende Umbauten beim "Focus" und beim "Spiegel": Das alles soll die Traditionsmarken fit für die digitalen Welt machen. Aber für eine wirkliche Erneuerung sind die Sparrunden und Restrukturierungen nicht geeignet.
Diese Ansicht vertritt Ex-"Handelsblatt"-Geschäftsführer Harald Müsse, der jetzt Medienunternehmen mit seiner Müsse Media Consulting berät. "Die geplanten Maßnahmen bei der FAZ werden nicht ausreichen, um den Verlag gesunden zu lassen", betont der Printkenner mit Blick auf die bis zu 200 Entlassungen bei der "FAZ" bis 2017, um pro Jahr mehr als 20 Millionen Euro einzusparen. Allein 20 Millionen Euro dürfte das Team um Geschäftsführer Thomas Lindner schon allein der Stellenabbau inklusive Abfindungen an die betroffenen Mitarbeiter kosten, rechnet Müsse im Gespräch mit W&V vor.
Da vor allem im Verlagsbereich gestrichen wird und dort jeder Dritte gehen muss, sieht der Berater nur das Problem Strukturkosten gelöst, nicht aber die Struktur an sich verbessert: "Kein neues Medienangebot würde heute noch einen Redaktionsapparat mit 400 Festangestellten installieren. Das ist unglaublich teuer. Zumal die 'FAZ' in der Redaktion sozialverträglich bis zu 40 Stellen abbauen will, wird Lindner auf diesen hohen Kosten sitzen bleiben: Die einkommensstarken Altredakteure werden an Bord bleiben, die 'FAZ' wird kein jüngeres Blatt", betont Harald Müsse. Auch wenn der ehemalige "Handelsblatt"-Lenker eine Lanze für den Qualitätsanspruch des Frankfurter Blattes und gut ausgebildete Journalisten bricht, so plädiert er doch dafür, dass mehr junge Talente für modernere und originellere Inhalten stehen sollten. Ein Fehler, sollte einmal mehr in der Printbranche der begabte Nachwuchs dem Rotstift zum Opfer fallen, urteilt Müsse.
Der Inhaber von Müsse Media Consulting rechnet mit weiteren Kürzungen bei den überregionalen Zeitungen und den großen Nachrichtenmagazinen. Die Meinungsführer der deutschen Printlandschaft sind aus seiner Sicht "alle zu groß" und arbeiten in "verkrusteten Strukturen". Wer brauche heute noch ein festangestelltes Korrespondentennetz mit 40 Mitarbeitern wie die "FAZ"?, fragt sich Harald Müsse. Das "Handelsblatt" hat etwa im vergangenen Jahr angefangen, seine Auslandsbüros neu zu gewichten und Standorte zu schließen, sollte sich der Schwerpunkt der Berichterstattung verlagern. Schwierig findet Müsse auch, dass sich die stimmgewaltigen Print-Koryphäen der Marke "Spiegel" weigern würden, für Online zu schreiben.
Harald Müsses Rat an "FAZ" und Konsorten fällt hart aus für erfahrene Belegschaften und fordert Verbände wie den DJV, der sich um die Qualität bei der Tageszeitung sorgt, heraus: "Die Verlage müssen einmal richtig Geld in die Hand nehmen und faire Abfindungen anbieten. So schaffen sie Handlungsspielraum, um überteuerte und veraltete Redaktionsstrukturen auflösen zu können." Dass laut aktuellen Spekulationen "Spiegel"-Wirtschaftschef Armin Mahler und -Kulturchef Lothar Gorris – beides langjährige Autoren - das Haus verlassen sollen, dürfte Müsse ergo in einer anderen Tonart interpretieren. Aber die "Spiegel"-Autoren sperren sich laut "Turi2" sogar gegenüber hohen Abfindungen.
Eine Sorge treibt Müsse besonders um: die Vermarktbarkeit der Werbe-Ware Zeitung. Dass die "FAZ" auf bis zu 160 Mitarbeiter im Verlagsbereich verzichten will, kommentiert der Berater mit den Worten: "Es gibt ja auch immer weniger Anzeigen und Leser zu betreuen." Gerade im Sales sei aber frischer Wind besonders wichtig. Die Branche brauche junge und engagierte Mitarbeiter, die unkonventionell und frisch das Produkt Tageszeitung an den Leser- und Anzeigenmarkt herantragen sollten, so Harald Müsse. Mittelfristig könne das jedes Verlagshaus für sich gar nicht mehr leisten, befürchtet er.
Müsse appelliert an die überregionalen Zeitungen: "Ein großer Vermarkter muss her, der die Tageszeitungen in der sich rasant verändernden Mediaplanung angemessen bei den großen Agenturen vertritt". Erste Anläufe gibt es bereits: Die "FAZ" und die "Süddeutsche Zeitung" wollen ihre Werbeflächen gemeinsam vermarkten. Los geht’s im Oktober mit einer ersten Sonderveröffentlichung.