Kommentar:
Verlage ohne Konzepte für Flaggschiffe
Bei "Focus" und "Stern" dreht sich das Personalkarussell. Weiterbringen wird das die Nachrichtenmagazine nicht, sagt Kontakter-Autorin Lisa Priller-Gebhardt. Vor allem beim "Focus" liegen die Probleme ganz wo anders.
Das Chefredakteurs-Feuern bei "Focus" und "Stern" legt bitteres Zeugnis davon ab, dass die Verlage für ihre Magazine keine konkreten Konzepte in der Tasche haben. Beim "Focus" ist die Personalie Ulrich Reitz, nach dem Ausscheiden von Helmut Markwort als Chefredakteur, streng genommen bereits der vierte Chefredakteurswechsel.
Journalistisch war Dominik Wichmann ("Stern") und Jörg Quoos ("Focus") kaum etwas vorzuwerfen. So muss man sich fragen, ob die eigentlich Verantwortlichen nicht eine Etage höher sitzen. Bei Hubert Burda Media beispielsweise agiert seit 2011 Burkhard Graßmann als Vorsitzender der Geschäftsführung. In seinem sogenannten Masterplan "Agenda 2016" kündigt er 25 Prozent Umsatzwachstum in den nächsten vier Jahren für die Burda News Gruppe (BNG) an. Für "Focus" hatte er große Ziele prognostiziert: "'Focus' hat, das ist meine feste Überzeugung, auch im Internet-Zeitalter Wachstumspotenzial im Anzeigenumsatz wie in der Auflage im niedrig zweistelligen Bereich."
Wie weit Graßmann mit seiner Ankündigung daneben lag, zeigt ein Blick in die IVW: Die Einzelauflage krachte innerhalb von zwei Jahren von 110.000 auf 77.000 Exemplare (2/14), also um 30 Prozent. Und auch von der geplanten engen Zusammenarbeit zwischen der Print- und Onlineredaktion ist man bei "Focus" weiter entfernt denn je.
In der Rückschau wirft Graßmanns vollmundige Ankündigung "Wer bei uns mitspielen will, der muss die entsprechende Leistung zeigen" die Frage auf, wer gemeint war. Wenig hilfreich dürfte auch die Strategie von Printvorstand Philipp Welte sein, Magazine wie "Bunte" und "Focus" auf das Niveau von Schokoriegeln herunterzureden. Zeitschriften seien letztlich nichts anderes als Fast Moving Consumer Goods. Das dürfte weder Journalisten, Lesern noch Werbekunden schmecken.
Beim Nachrichtenmagazin "Focus" soll nun also Ulrich Reitz die Wende bringen. Jörg Quoos, der übrigens gestern seinen 51. Geburtstag hatte, hat direkt im Anschluss an die Ansprache durch Burkhard Graßmann an die Redaktion seinen Schreibtisch geräumt. Doch es scheint, als hätte auch der Neue kein visionäres Rezept. Dem "Münchner Merkur" sagte er, er wolle den "Focus" zurück "zu den Wurzeln des Magazins bringen" und "Service mit Nutzwert" bieten. Reitz ergänzt dies mit der ambitionierten Aussage, er wolle mit Hilfe "digitaler Medien die Themen des Magazins die ganze Woche über aktualisieren und fortführen". Und hier zeigt sich das wahre Problem: Noch immer gehören Focus.de und das gedruckte Magazin zwei unterschiedlichen Häusern. Und das wirklich Fatale ist, der Leser trennt nicht zwischen den beiden Angeboten. Die teils billigen, auf SEO getrimmten Geschichten von Focus.de, schaden dem Image des gedruckten Magazins gewaltig. Zwischen dem Arabellapark, wo das Magazin residiert und der Neumarkter Straße, Heimat der Online-Redaktion, liegen zwar nur 1000 Meter, aber zwischen den journalistischen Ansprüchen liegen ganze Welten. Um hier etwas zu ändern, braucht es mehr, als nur einen neuen Chefredakteur.