
Nach Klage gegen "Tagesschau"-App: Geteilte Meinung in der Politik
Die Medienbranche debattiert über die Zulässigkeit der Tagesschau-App. Der konkrete Fall wird bei Gericht entschiede, aber für die Weichenstellung sorgt die Politik. W&V Online hat sich bei den Parteien umgehört.
Mit ihrer Klage gegen die "Tagesschau"-App sorgen acht Verlage für Gesprächsstoff, nicht nur in der Medienbranche, sondern auch in der Politik. W&V Online hat sich umgehört. Auf Bundesebene gibt es in der Medienpolitik sowohl Befürworter als auch Gegner der Klage.
Burkhardt Müller-Sönksen, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sieht die Politik mitverantwortlich für den "Unfrieden". Statt vager Formulierungen im Rundkunkstaatsvertrag zur Verbreitung von Bild und Ton im Internet hätte es "einer klaren Begrenzung hierauf durch die Konkretisierung des Rundfunkstaatsvertrags bedurft", so der Politiker gegenüber W&V Online. Er sieht das ursprünglich duale System aus öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk durch die Konvergenz im Internet zu einem Drei-Säulen-Modell ergänzt. Weitere Apps von einzelnen Sendungen oder der Dritten Programme könnten folgen, befürchtet Müller-Sönksen. Die "Tagesschau"-App "hat einen einseitig subventionierten Verdrängungswettbewerb eröffnet, der unserer vielfältigen Medienlandschaft schadet", findet er.
Schon 2009, als die ARD-Pläne zu einer kostenlosen Smartphone-App bekannt wurden, gehörten die Medienexperten von FDP, SPD und CDU zu den Kritikern. Ein Statement von der SPD gibt es nun auf W&V Anfrage aber nicht. Eindeutig für die Klage scheint die Position dort auch nicht zu sein, Hansjörg Schmidt aus der Hamburgischen Bürgerschaft twitterte kurz nach dem Bekanntwerden der Klage, dass er das Vorgehen der Verlage bedauere. Er glaubt, "dass sich dadurch die Fronten nur verhärten", schreibt er auf seiner Homepage. Zudem bezweifle er, "dass es sich bei der 'Tagesschau'-App tatsächlich um eine wettbewerbswidrige Anwendung handelt."
Wolfgang Börnsen, medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt bekannt, dass er die Klage gegen die "Tagesschau"-App begrüßt. "Denn die Medienvielfalt in unserem Land steht auf dem Spiel. Es droht eine marktbeherrschende Stellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die unser zweiteiliges Mediensystem aus öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern aus der Balance bringen würde".
Anders sieht es Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag. "Wenn ARD und ZDF junge Menschen nicht erreicht – und diese nutzen nun mal in erster Linie das Netz und immer weniger den klassischen Rundfunk – hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk langfristig verloren", so Rößner. Für sie gehört das mobile Angebot der öffentlich-rechtlichen zur medialen Grundversorgung. Sie spricht damit an, was den Öffentlich-Rechtlichen per Staatsvertrag zugesichert ist: die so genannte Entwicklungsgarantie. Demnach dürfen ARD und ZDF neue Verbreitungswege für Inhalte nutzen - dazu zählen auch das Internet und die neuen mobilen Kanäle.
Lukrezia Jochimsen von der Partei Die Linke pflichtet bei, dass die "Tagesschau"-App erhalten bleiben sollte. Sie würde ihr fehlen, erklärt die Politikerin gegenüber W&V Online. "Auch die Zeitungsverlage werden nicht die Zeit anhalten können, auch wenn sie gegenwärtig juristisch gegen die 'Tagesschau'- App vorgehen“, so Jochimsen. Natürlich müsse man auch die oft prekäre Situation besonders der freiberuflichen Journalisten im Bewusstsein haben, "aber auch ein Verbot der 'Tagesschau'-App führt nicht zu neuen Erlösmodellen im Internet.“
Wirklich eingreifen bei der ARD könnten neben den eigenen Aufsichtsgremien nur die Bundesländer und ihre Rundfunkkommission. Den Vorsitz hat dort Rheinland-Pfalz inne. In der Mainzer Staatskanzlei zeigt man sich auf Anfrage von W&V Online enttäuscht darüber, dass die Verleger gegen die "Tagesschau"-App geklagt haben. Die Rede ist von einem "Rückschlag", nachdem in den vergangenen Monaten diverse Gespräche zwischen den Öffentlich-Rechtlichen, Privatsendern und auch Verlagen geführt worden sind, die teils in der Gründung der Deutschen Content Allianz gemündet haben. Dort nehmen sich ARD, ZDF, Privatsender im VPRT, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Bundesverband Musikindustrie (BVMI), die Gema, die Produzentenallianz und der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) an der Hand. Sie haben sich in der Deutschen Content Allianz zusammengefunden, um gemeinsam auf den Wert der Inhalte aufmerksam zu machen. Rein rechtlich kann die Mainzer Staatskanzlei keine Probleme in einer kostenlosen Nachrichten-App erkennen; den Anstalten sei es freigestellt, ob sie kostenlose oder kostenpflichtige Angebote starten.
Die Verlage werfen der ARD vor, mit der App über ihre Kompetenzen hinauszugehen und gebührenfinanzierte Pressetexte ohne konkreten Bezug zu einer erfolgten Sendung zu verbreiten. In der kostenlosen App sehen die Verlage, die gerade selbst versuchen, digitale Geschäftsfelder zu besetzen, eine rechtswidrige Konkurrenz. Zu den Klägern gehören die WAZ-Gruppe, M. Dumont Schauberg, die Rheinische Post, Lensing Wolff, Axel Springer, die Medienholding Nord, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Süddeutsche Zeitung".
fm/ps