Konzentrationskontrolle:
Medientage München: So soll Meinungsmacht neu gemessen werden
ARD mit 22 Prozent Anteil an Meinungsmacht: BLM präsentiert auf den Medientagen München ein neues Werkzeug.
Das Internet übernimmt immer mehr Meinungsmacht und wirbelt das bisherige Gefüge der klassischen Medien durcheinander. So kommt es, dass die ARD mittlerweile mit allen Plattformen zusammen mehr als ein Fünftel zur Meinungsmacht in Deutschland beiträgt. „Nun müssen die Weichen neu gestellt werden“, fordert Siegfried Schneider, Präsident der Münchner Medienanstalt BLM und Gastgeber der 26. Medientage München. Allem voran müsse das Medienkonzentrationsrecht umgekrempelt werden – eine Messlatte hat Schneider bei der Eröffnung der Medienmesse unter dem Motto "Weichen stellen" am Mittwoch parat: der neu entwickelte "Medienvielfaltsmonitor" der BLM. „Wir müssen medienübergreifend neben dem TV-Bereich auch die Meinungsmacht der Unternehmen in Print, Radio und Online miteinbeziehen“, so Schneider. Das macht das neue Tool. Dabei kommt heraus – in Circa-Zahlen: Die ARD hat einen Anteil von 22 Prozent an der Meinungsmacht, Bertelsmann mit allen Töchtern 14 Prozent, ProSiebenSat.1 neun Prozent, Springer (dem einst die Übernahme von ProSiebenSat.1 wegen der großen Macht untersagt wurde) acht Prozent und das ZDF 7,5 Prozent. Auf zehn weitere Medienunternehmen, die jeweils mindestens einen Anteil von einem Prozent haben, entfällt ein Marktanteil von zusammen 17 Prozent. Suchmaschinen wie Google würden immer stärkeren Einfluss auf diese Machtverhältnisse haben, so Schneider.
Der "Medienvielfaltsmonitor" basiert im Wesentlichen bekannten Reichweitenstudien unter dem Dach der ag.ma sowie einer empirischen Studie zum Meinungsbildungsgewicht der Mediengattungen von TNS Infratest im Auftrag der Landeszentrale. "Die aktuellen Daten im MedienVielfaltsMonitor zeigen, dass die Medienlandschaft in Deutschland noch von relativ hoher Vielfalt gekennzeichnet ist", so Schneider, der die Ergebnisse als Diskussionsgrundlage für eine Novelle des Medienkonzentrationsrechts nutzen will.
Selbst Gastredner Horst Seehofer, CSU-Ministerpräsident von Bayern, gibt zu, dass er den Wandel der Medien mitgeht. Mittlerweile surft er nach eigenen Angaben eifrig im Web. Und was wird die Medienwelt in den kommenden Jahren verändern? Die Mobilität der Medien via Tablet und Smartphone, meint der frühere RTL-Group-Lenker Gerhard Zeiler, den die Medientage München als Keynotespeaker engagiert haben. Der heutige Turner-Manager sieht des Weiteren in der Verknüpfung von TV und Internet auf dem Bildschirm einen wichtigen Impuls für die Zukunft – und im TV via App, im Social TV. Die Eintrittschwelle gesenkt – neue Player kommen Zeiler zufolge leichter und schneller in den Markt, der Konkurrenzkampf wird härter. Die Preiserhöhungen im Inhaltebereich würden bereits davon zeugen. Überhaupt: Alle gierten nach Bewegtbild – auch das ein Trend für die kommenden Jahre.
Zeiler sieht für TV aber beste Chancen, im Wettbewerb gut bestehen zu können. Er bilckt dabei in die USA, wo viele digitale Entwicklungen weiter vorangeschritten sind als hierzulande. Dort gucken die Menschen nicht mehr nur sieben Sender regelmäßig, wie noch vor zehn Jahren, sondern zwölf Sender. Der Turner-Manager gibt den Verlagen auch noch Tipps - man müsse endlich von der Gratiskultur abrücken. Dass eine Zahlungsbereitschaft für Inhalte vorliege, beweise schon der Erfolg von Pay-TV in weiten Teilen der Welt. In Sachen "Weichen stellen" spricht sich Zeiler - ebenso wie zuvor Seehofer - auch für ein starkes Leistungsschutzrecht aus:"Piraterie im Netz sei Diebstahl".
Gerhard Zeiler rät Medien im Wandel, diverse Grundsätze zu verfolgen. Dazu gehört, dass die Medien lokal agieren sollten. Pay-TV sollte stärker ins Visier genommen werden. Die Medien sollten auch keine Angst vor Facebook oder YouTube haben - sie sollten vielmehr das Social Web nutzen. Sie seien "Partner mit einem enormen Marketingpotenzials". "Mundpropaganda per Tastendruck in Echtzeit", so Zeiler über die Möglichkeiten, die Unternehmen bei Twitter und Konsorten finden. Dass ARD und ZDF einen Jugendkanal planen, lässt Zeiler kalt - das solle der Markt entscheiden. An die Macher hinter den TV-Programmen appelliert Zeiler, wieder in Kreativität zu investieren, um im zuehmenden Wettbewerb unverwechselbar zu bleiben. "So schön Bilanzen auch sind, man kann sie nicht zu TV-Programmen machen", resümiert der erfahrene österreichische Fernsehmanager.