Ein Verlag könnte dann ja theoretisch jeden Blogger und jeden Pressespiegel, der unerlaubt zitiert, abmahnen.

Nicht nur theoretisch: Genau diese Möglichkeit will die neue Regelung ja explizit. Und die weniger finanzkräftige Prozesspartei wird eher unter den juristischen Ungenauigkeiten des Gesetzes leiden. Ein Verlag kann sich den Instanzenweg zum Bundesgerichtshof weit eher erlauben, als ein "gewerblicher" Blogger, der dann, finanziell geschädigt, aufgibt.

Nach Ihrer bisherigen Erfahrung: Glauben Sie, das wird passieren?

Natürlich, wozu haben die Verlage sonst -  mit Erfolg - ihre Lobbyisten auf die Regierung angesetzt.

 
Kommt es zu einer neuen Abmahn-Welle?
 
Das hier eine neue Klagewelle ansteht, nimmt der Gesetzgeber billigend in Kauf, auch wenn die Begründung das zu kaschieren sucht. Ein Ausmass wie in Sachen Filesharing sehe ich allerdings nicht. Andererseits sind die Auswirkungen auf einen, durch das Internet gerade erst möglich gewordenen, lebhaften Diskurs in einer Zivilgesellschaft dramatisch. Unverzichtbare Blogs wie die "Achse des Guten" und viele andere mehr stehen vor einer enormen Herausforderung, wenn sämtliche Texte der letzten zwölf Monate - davor greift die Verjährung - komplett auf mögliche Verstöße untersucht und geändert werden müssen.

Werden sich die Verlage eher mit den "großen Fischen" wie Google und Yahoo herumschlagen?

Eindeutig nein! Google streicht den Verlag eher aus den Suchergebnissen. Das sieht man doch auch bei Youtube: Wenn die Gema mäkelt, ist der Titel in Deutschland eben nicht mehr abrufbar. Google verlinkt dann eben nicht mehr. Das kostet enormen Traffic, das riskieren die Verlage nicht. Es sei denn, die Herren in der Chefetage haben vor lauter Gier nicht zu Ende gedacht und glauben ernstlich, sie könnten ein wenig bei Google mitkassieren.

Was könnten die "kleinen Fische" entsprechend gegen eine Abmahnwelle tun?

Zunächst Abschalten, d.h. alle Texte der letzten zwölf Monate offline stellen, wenn man "gewerblich" tätig ist. Außerdem sollten sie in den Texten der letzten 12 Monate Links oder Textzteilen entfernen, soweit diese auch nur mehrere Worte des Original-Artikels enthalten. zudem sollten sie Links ändern auf neutrale Worte wie "hier" sowie Zitate vorerst, je nach Risikobereitschaft, vorsichtshalber streichen.
 


Autor: Anja Janotta

seit 1998 bei der W&V - ist die wohl dienstälteste Onlinerin des Hauses. Am liebsten führt sie Interviews – quer durch die ganze Branche. Neben Kreativ- und Karrierethemen schreibt sie ab und zu was völlig anderes - Kinderbücher. Eines davon dreht sich um ein paar nerdige Möchtegern-Influencer.