Gastbeitrag zum Streamingmarkt:
Max Reichert: "2018 wird für VoD das Jahr der Weichenstellung"
Der Berater Research & Strategy von Goldmedia, Max Reichert, über den härter werdenden Konkurrenzkampf der Streamingdienste in Deutschland.
Aus Sicht der Vide-on-Demand-Anbieter (VoD) in Deutschland war 2017 ein durchmischtes Jahr. Während die Branchenführer ihre Stellung ausbauen konnten, müssen kleinere Anbieter um jeden Kunden kämpfen. Neue Streamingdienste versuchen, dem Existenzkampf durch Spezialisierung zu entgehen.
2018 wird für viele Streaming-Anbieter ein Jahr mit Weichenstellung
Im deutschen VoD-Bereich wurde 2017 kräftig in Marketingkampagnen investiert, um Eigenproduktionen zu promoten: Amazon setzte dabei auf Mathias Schweighöfer als Zugpferd ("You are wanted"), Maxdome auf Christian Ulmen ("Jerks"), Sky auf die Anziehungskraft der Hauptstadt ("Babylon Berlin") und Netflix auf einen innovativen Regisseur ("Dark", Baran bo Odar).
Im Zuge der Investitionen in neuen Content wurden auch die Preise angepasst. In welche Richtung, das beschreibt die Lage der Anbieter besser als jede Trendanalyse: Während Amazon und Netflix die Preise erhöhten und damit selbstbewusst die dominante Stellung im Markt ausnutzen, setzen Sky und Maxdome mit Rabattaktionen auf jeden Abonnenten.
Für Maxdome und Sky wird die Situation 2018 nicht einfacher
Es ist fraglich, ob sich ein lokal agierender Streamingkonzern langfristig mit den globalen Videogiganten messen kann. Der Preisnachlass leitet Maxdome und Sky in ein entscheidendes Jahr 2018.
Maxdome steht noch immer vor der schwierigen Herausforderung, sich als nationaler Streamingdienst gegen die übermächtige US-Konkurrenz durchzusetzen. Updates und Erweiterungen der eigenen Oberfläche waren dabei ein Schritt in die richtige Richtung, brachten jedoch ebenso wie zahlreiche Rabattaktionen oder neue Distributionspartner (z.B. die Deutsche Bahn) bislang nicht den ersehnten Befreiungsschlag. Trotzdem besitzt der Streamingdienst weiterhin Potenziale: So könnte eine internationale Kooperationsstrategie mit größeren Streaminganbietern und eine inhaltliche Emanzipation von ProSieben-Inhalten Erfolg versprechend sein.
Sky Ticket hat mit seiner 1-Euro-pro-Monat-Aktion zum Start der neuen Staffeln von "House of Cards" und "Game of Thrones" viele Abonnenten hinzugewonnen. Mit dem Start von "Babylon Berlin" wurde zudem versucht, die Kunden langfristig zu binden. Die Blockbuster-Strategie scheint zumindest kurzfristig aufzugehen. Ob sie weiter funktioniert, hängt stark davon ab, ob sich Sky noch mehr Exklusivrechte für den deutschen Markt sichern kann.
Amazon und Netflix gehen in die Offensive und erhöhen die Preise
Gleichzeitig investieren die beiden Branchenführer kräftig in neue Inhalte. Netflix hat angekündigt, 2018 dafür mehr als 8 Milliarden Dollar auszugeben. Damit sollen bis Ende 2018 die Hälfte der Inhalte Eigenproduktionen sein. Für Netflix wird der internationale Markt immer wichtiger, denn in den USA erreicht der Streaminganbieter mittlerweile schon 54 Prozent der Haushalte.
Die internationale Expansion, stagnierende Abonnentenzahlen und der Bedarf an neuen Inhalten brachten Netflix nun dazu, die Preise für das Abo-Modell um bis zu 2 Euro zu erhöhen. Besonders betroffen davon ist das Account-Sharing mit bis zu fünf gleichzeitigen Nutzern: Wie Messungen zeigen, hat Netflix im Schnitt 2,5 Nutzer pro Account, was in Deutschland einzigartig ist (Goldmedia VoD-Ratings, 11/2017).Wenn das Wachstum über Neukunden auch international anfängt abzuflachen, ist anzunehmen, dass Netflix das Account-Sharing-Modell langfristig weiter einschränken oder verteuern wird.
In Deutschland ist Netflix zwar der meistgenutzte, jedoch – auch aufgrund des hohen Account-Sharing-Anteils – nicht der am häufigsten abonnierte Service: Amazon hat hier nach wie vor einen klaren Vorsprung, Netflix konnte die Lücke 2017 jedoch um gut fünf Prozent schließen (Goldmedia VoD-Ratings).
Amazon Video investiert ebenso fleißig in Content, sicherte sich z.B. die Streamingrechte an der Serienverfilmung von "Herr der Ringe". Ziel ist es auch, das neue "Game of Thrones" zu produzieren, um die Prime-Abonnenten in den USA endlich zu überzeugen: Nur 37 Prozent der US-Abonnenten von Amazon Prime nutzen bisher das Videostreaming-Angebot.Dabei ist genau dieses Angebot zentraler Bestandteil der Strategie von Amazon, den eigenen Mehrwert zu steigern und weitere Preiserhöhungen des Prime Modells zu rechtfertigen. Für den deutschen Markt werden Serienklassiker wie "Pastewka" und "Deutschland 83" (mit der Fortsetzung "Deutschland 86") neu aufgelegt.
Die Einführung von Amazon-Channels in Deutschland ermöglichte dem US-Konzern zudem, sich weiter als zentrale Distributionsplattform von Videoinhalten zu etablieren. Insbesondere die Kooperation mit Eurosport scheint für Amazon ein gutes Geschäft zu sein, um sich weiter im Spitzensport zu etablieren.
Viele Streaminganbieter entdecken die Nische
Damit wollen sie der Konkurrenz mit den großen Streaminganbietern aus dem Weg gehen. Plattformen wie Pantaflix, Alleskino, Realeyz, Kividoo oder das Klassikportal Myfidelio bedienen den Markt mit weniger, dafür aber mit ausgewähltem Content - und sie finden zahlungswillige Kunden. Zusammen kommen die spezialisierten Anbieter in Deutschland mittlerweile auf einen Marktanteil von über 14 Prozent.
Während in Deutschland die Nische blüht, versucht in den USA schon ein neuer Filmgigant ein Stück vom Streaming-Kuchen abzubekommen. Disney plant für 2018 die Übernahme von 20th Century Fox für einen eigenen Streamingservice, in dem die eigenen Inhalte exklusiv vermarktet werden können. Eine aggressive Preispolitik wurde von Disney schon angekündigt.
Für 2018 ist also im VoD-Markt einiges zu erwarten. Der Massenmarkt ist erreicht, ab jetzt geht es um jeden Abonnenten. Profitieren vom Wettbewerb werden neben den Abonnenten vor allem die Produktionsfirmen und Lizenzvermarkter. Denn exklusiver Video-Content ist wertvoller als je zuvor.
Max Reichert ist Research & Strategy Consultant bei der Goldmedia GmbH Media Consulting & Research. Die Beratungs- und Forschungsgruppe mit dem Fokus auf Medien, Entertainment, Telekommunikation, Sport und Handel ermittelt unter anderem seit September die Abrufzahlen der Inhalte von Pay-VoD-Anbietern in Deutschland. Der Beitrag von Max Reichert erschien zuerst auf dem Goldmedia-Blog.