Social Media:
Ist Snapchat das bessere Facebook?
Marken und Medien zittern bei jedem Algorithmus-Update von Facebook. Wäre es daher nicht an der Zeit, auf Snapchat umzusteigen?
Lange waren die Snapchat-Features einmalig und für viele User Ü30 schwer verständlich. Gerade deswegen war Snapchat vor allem bei den Teenie-Usern sehr beliebt für das schnelle Selfie zwischendurch. Inzwischen haben sich die Plattformen angenähert. "Stories", die das aufwendigere Inszenieren von Themen erlauben, gibt es inzwischen auch bei Instagram und Facebook. Deswegen muss sich die Mutter-Company Snap anstrengen, Marken und Publisher für sich einzunehmen.
Mit Josh Stone hat Snap nun einen hauptamtlichen Mitarbeiter dafür abgestellt, sich um den Kontakt zu Publishern zu kümmern. Auch ein Event, der "Publisher Summit", soll sie bei Laune halten. Zu der "proaktiven" Strategie gehört es auch, mehr Insights zu teilen sowie für mehr Content-Qualität und Reichweite zu sorgen. In Deutschland ist Marianne Bullwinkel, Ex-Facebook-Chefin, die "All-in-one"- Frau für Snap. Von Hamburg aus ist sie mit ihrem Team für die gesamte DACH-Region verantwortlich.
Mehr Reichweite und neue Erlösquellen - diese Absicht steckt auch hinter zwei anderen Neuerungen der jüngsten Tage. Öffentliche "Stories" lassen sich nicht nur via Snapchat, sondern auch per Whatsapp oder Facebook weiterleiten. E-Commerce könnte ein weiteres Betätigungsfeld werden. Eben launchte Snap einen In-App-Shop für Merchandising-Artikel. Die Erfahrungen, was, wann und wie die junge Zielgruppe shoppt, könnte auch für Werbepartner spannend sein.
So sieht sich Snapchat selbst
Das Unternehmen tut alles dafür, die eigene Geschichte als Erfolg zu inszenieren. 178 Millionen User verzeichnet die App, davon setzen 60 Prozent täglich die Kamera ein, um durchschnittlich 20 Snaps pro Tag zu versenden.
Das sind die Zahlen für Deutschland:
- Jeden Tag nutzen 5 Mio. User die App (Juni 2017; DAU = daily active users)
- 60 Prozent der deutschen User sind über 18 Jahre alt
- Das Publikum der "Discover"-Sektion stieg von Juni bis November 2017 um 400 Prozent
- Deutsche Publisher verzeichnen 5 mal höhere Viewer-Zahlen als englischsprachige "Stories" in Deutschland.
- Viele User lassen sich nur via Snapchat und nicht über andere Social-Media-Netzwerke erreichen
Diese deutschen Publisher sind bei Snapchat:
- Bild: https://www.snapchat.com/discover/Bild/5009058569
- Spiegel Online: https://www.snapchat.com/discover/Spiegel/2808724390
- Bunte.de:https://www.snapchat.com/discover/Bunte/7343055153
- Sky Sport:https://www.snapchat.com/discover/Sky-Sport/6421491824
- Vice: https://www.snapchat.com/discover/VICE-DE/8704181625
Content kommt außerdem von:
- Prominenten, Sportlern, Musikern, Entertainern ("Official Stories")
- Rund 40 "Official Stories" stammen aus Deutschland, darunter GNTM-Siegerin Stefanie Giesinger, Sängerin Lena Meyer-Landrut, Rapper Sido, Politiker Peter Tauber und Fußballer wie Mario Götze, David Alaba, Lukas Podolski und Jerome Boateng.
- "Popular Stories": von Snap kuratierte Stories von Usern mit großer Reichweite und für alle sichtbar
- "Public Stories": Für alle sichtbare Stories.
Marken bei Snapchat:
- BMW kreierte eine "Trail Lens", mit dem sich eine AR-Version des BMW X2 in die User-Umgebung platzieren lässt. Die Kampagne ist noch aktuell und kann über diesen Snapcode gestartet werden.
- Die Ladenketten H&M and Hollister arbeiten mit Snap-Filtern rund um ihre Filialen.
- Red Bull buchte u.a. eine "Sponsored Lens", sprich eine Vignette, die über Bilder gelegt werden kann.
- Die Deutsche Telekom begleitete das Konzert des Rappers Marteria mit einer "Promoted Story".
- Außerdem aktiv (Auswahl): L’Oreal, Estee Lauder (Clinique, DKNY), Deutsche Bahn, Spotify, dm-drogerie markt, Volkswagen (VW, Seat), Nestle, McDonald's, Mondelez, adidas, Puma, Coca-Cola, Electronic Arts, Intersnack, Daimler, Microsoft, Henkel, Ferrero, Bacardi, Ford, Yves Saint Laurent, Heineken.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Geleakte Zahlen, die dem Magazin "Daily Beast" zugespielt wurden, lenken den Blick auf einige weniger hoffnungsvolle Zahlen.
Die Snapchat-Entwicklung stagniert:
So wird Snapchat tatsächlich genutzt:
Auch wenn sich Snapchat als Kamera-Werkzeug versteht, der Großteil der Nutzer legt mehr Wert auf "Chat" als auf "Snap". Es passiert wesentlich häufiger, dass ein Nutzer einem seiner Freunde eine Nachricht schickt, meist ein Foto, als dass er es als "Story" postet.
Nur 20 Prozent der User interessieren sich für die Anregungen, die sich in der "Discover"-Edition finden. Im Juli 2017 schauten dort 38 Mio. DAU vorbei, danach sackten die Zahlen ab, so "Daily Beast".
Diese Schwäche sehen auch die Analysten: "Es ist klar, dass Snapchat im Hinblick auf Kommunikation unter Freunden punktet, aber im Bereich "Stories" schwächelt", sagt Thomas Cilius, CEO von Snaplytics.
Das aktuelle Update ist keine Hilfe
Derzeit sehen es nur iPhone-Nutzer, aber unter ihnen sorgt es schon für Zündstoff - das neue Snapchat-Update. Es soll Snapchat "persönlicher" machen, erklärt CEO Evan Spiegel hier im Video. Die Inhalte von Publishern sind deutlicher von den Posts der Freunde getrennt. Die einen finden sich durch Wischen nach links, die anderen sind rechts platziert.
Die Nutzer sind wenig begeistert. Die einen klagen, dass sie von ihnen abonnierte Stories nicht mehr finden, die anderen beschweren sich über massenhaft Inhalte, die sie nicht interessieren.
Die Kritik der Nutzer bei Twitter:
Das Unternehmen versucht zu beruhigen:
Fazit:
Snapchat hat einiges angestoßen, was nun Common Sense auch in anderen Social-Media-Netzwerken ist. Dazu gehören die Stories, die Facebook und Instagram inzwischen kopiert haben. Unique sind die Features also nicht bzw. was Snap an Besonderheiten hat (z.B. Maps) wird nicht in dem Umfang angenommen wie prognostiziert.
Im Vergleich zu Facebook hat es aber durchaus noch seine Stärken, etwa wenn es um junge Zielgrupppen geht. Hossein Houssaini, Global Head of Programmatic Solutions bei Havas, sieht bei Snapchat derzeit die besseren Umfelder.
Allerdings muss das nicht so bleiben, wenn das Update die User nicht nur kurzfristig irritiert, sondern langfristig abschreckt.
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