Großbritannien:
Internationale Expansion könnte die BBC retten
Würde die Finanzierung der britischen Rundfunkanstalt auf ein Abo-Modell umgestellt, käme es zu erheblichen Einnahmeausfällen. Eine Option wäre da wohl die internationale Expansion.
Kann die BBC mit einem neuen Finanzierungsmodell überleben, falls in Großbritannien in absehbarer Zukunft die Rundfunkgebühr abgeschafft werden sollte? Für den Nachfolger des gegenwärtigen BBC-Generaldirektors Tony Hall wird dies gleich zu Beginn seiner Amtszeit die brennendste Frage sein.
Hall hatte vor kurzem angekündigt, dass er im Sommer von seinem Chefposten zurücktreten werde. Vermutlich aus einem rein strategischen Grund: Sein Nachfolger soll damit sowohl bei der nächsten turnusmäßigen Überprüfung des Etats im Jahr 2022 als auch beim Auslaufen der derzeitigen Royal Charter, der rechtlichen Grundlage der BBC, Ende 2027 an der Spitze des Hauses stehen – und damit über die Zukunft der Rundfunkanstalt mitentscheiden können.
Der Druck auf die BBC ist jedenfalls in den vergangenen Monaten enorm gewachsen. Kritik kommt vor allem aus dem politischen Bereich. Sowohl die Torys als auch die Labour Party haben sich wiederholt negativ über die BBC-Berichterstattung vor den vergangenen Parlamentswahlen geäußert.
Teile der Konservativen Partei und offensichtlich auch Premierminister Boris Johnson würden es deshalb gern sehen, wenn die Gebührenfinanzierung durch eine Opt-in-Version ähnlich einem Netflix-Abonnement ersetzt würde. Auch eine Umfrage der BBC-kritischen Tageszeitung The Times hatte ergeben, dass sich etwa die Hälfte der Briten für ein Ende der Finanzierung über Rundfunkgebühren ausspricht. Und es gibt ein weiteres Zukunftsproblem: Die BBC verliert immer mehr Zuschauer an Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime Video, vor allem in den jüngeren Altersgruppen.
Knapp 26 Millionen Gebührenhaushalte
Die derzeitige Rundfunkgebühr beträgt 154,50 Pfund, umgerechnet knapp 180 Euro pro Jahr. Zahlungspflichtig ist jeder Haushalt, der ein Fernsehgerät besitzt. Das sind gegenwärtig knapp 26 Millionen Haushalte. Damit nahm die BBC vergangenes Jahr Gebührengelder in Höhe von 3,7 Milliarden Pfund (4,4 Mrd. Euro) ein. Hinzu kamen 1,2 Milliarden Pfund (1,4 Mrd. Euro) aus kommerziellen Aktivitäten.
Laut der Medienbehörde Ofcom haben inzwischen mehr als 13 Millionen britische Haushalte mindestens einen Videostreamingdienst abonniert. Würde die Finanzierung der BBC künftig auf ein Abo-Modell umgestellt und könnte die Rundfunkanstalt in einem solchen Fall ebenfalls etwa 13 Millionen Haushalte als Abonnenten gewinnen, würde sie jährlich rund 1,7 Milliarden Pfund (2 Mrd. Euro) an Einnahmen einbüßen.
Angesichts des Konkurrenzkampfes auf dem britischen Videostreaming-Markt, in dem Ende März auch der Launch von Disney+ erfolgt, wäre eine Gebührenanhebung kaum eine Option. Ohnehin dürften in den nächsten Jahren noch weitere Streaming-Anbieter, vornehmlich aus den USA, hinzukommen. Zu erwarten wären daher wohl eher rigorose Sparmaßnahmen und sogar die Einstellung etwa kompletter Radioprogramme.
Eine der wenigen Optionen, die blieben, wäre die internationale Expansion. Und hier hätte die BBC sogar einen Vorteil gegenüber den US-Streamingdiensten. Denn die BBC verfügt weltweit nicht nur über ein hervorragendes Renommee, sondern auch über eine riesige Film- und Serienbibliothek, während die US-Konkurrenten derzeit Milliarden Dollar in Eigenproduktionen pumpen, um sich gegenseitig auszustechen. So ist denn auch der Schuldenberg beispielsweise von Netflix im vergangenen Jahr auf über 12 Milliarden Dollar angewachsen. Die BBC dagegen ist schuldenfrei.