Medientreffpunkt Mitteldeutschland:
Guttenberg, Wulff, Hoeneß: Treten Politiker oder Medien Skandale los?
Exzesse oder reinigende Wirkung? Auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland sind sich Fachleute uneinig, wer die Skandalisierung vorantreibt.
Karl-Theodor zu Guttenberg, Christian Wulff, Uli Hoeneß: Diese Namen stehen in Politik und Medien für Skandale, prägen die Tagesordnung der vergangenen Monate und aktuell den Medientreffpunkt Mitteldeutschland in Leipzig, wo namhafte Fachleute über die Rolle der Medien diskutieren. Michael H. Spreng, einst Chefredakteur der "Bild am Sonntag" und medialer Berater von CSU-Mann Edmund Stoiber, glaubt, dass die Parteien den Takt vorgeben. "Die Politik skandalisiert sich selbst", meint Spreng. Das sei Teil des politischen Kampfes. "Und wenn die Medien dann diese Skandalisierung aufgreifen, wird hinterher mit dem Finger auf die Journalisten gezeigt", so der Kommunikationsberater.
Dirk Metz, Medienberater und ehemaliger Sprecher der Hessischen Landesregierung, setzt bei der Skandalisierung eher bei den Medien an. Man müsse sich zum Beispiel stark wundern, welche Zitate von Politikern aus dem Zusammenhang gerissen werden, um damit Überschriften zu formulieren, meint Metz. Dieter Wonka, Chefkorrespondent der "Leipziger Volkszeitung" in Berlin, kennt dagegen kein Mitleid mit Parlamentariern und anderen Entscheidungsträgern: "Ich erinnere mich noch gut an Interviews mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Der wusste genau, was er mit einem Halbsatz oder einer Andeutung auslösen konnte." Aber Wonka spart nicht mit Kritik an seiner eigenen Zunft, wenn er sagt: "Gerüchte treten heute immer häufig an die Stelle fundierter Bewertungen. Um Aufmerksamkeit zu erreichen, ist der Skandal zu einem probaten Mittel geworden. Wir Medien dürfen uns aber nicht zum Lautsprecher der Politik machen." Dieses Phänomen haben Kritiker der Medien bereits aufgegriffen und dabei herausgearbeitet, dass Journalisten offenbar mit mehr Getöse die zunehmende Konkurrenz aus dem Social Web übertrumpfen wollen.
Wolfgang Donsbach, renommierter Medienprofessor an der TU Dresden, beobachtet seit vielen Jahren das Zusammenspiel zwischen den Regierenden und den Berichterstattern. Ihm fallen dabei "einige Exzesse auf Seiten der Medien" auf. Generell sei der Journalismus aber rationaler als früher. Vor Jahren sei die Berichterstattung noch viel ideologischer gefärbt gewesen. Als gutes Beispiel für diese Ambivalenz bezeichnet der Medienwissenschaftler den Fall Wulff. Donsbach: "Diese Skandale haben ja auch eine reinigende Wirkung. Eine Gutsherrenart, wie früher bei Franz Josef Strauß gibt es heute nicht mehr." Er rügt aber, dass Medien häufig mit unbewiesenen Behauptungen agieren und bei Wulff in die Rolle des Staatsanwaltes schlüpfen würden. Spreng hält dagegen: "Ich sehe keine Exzesse. Vieles, was die Medien zu Wulff berichtet haben, war strafrechtlich nicht relevant, aber erhellend für den Charakter von Wulff." Zum aktuellen Fall Hoeneß meint der ehemalige "BamS"-Macher, herrsche sogar eine Selbstbeschränkung der Medien. "Sie lesen ja mehr über den Gutmenschen als über den Steuerhinterzieher Hoeneß"