Fernsehpreis für #Verafake:
Grimme-Preis für Team Böhmermann - und nur einen Privatsender
Wie so oft ist der Fernsehpreis eine recht exklusive öffentlich-rechtliche Veranstaltung. Die Kommission wählt Vorbildliches - und das scheint nicht im Privatfernsehen stattzufinden.
Wie oft ist der Grimme-Preis für herausragende Fernsehstoffe eine recht exklusive öffentlich-rechtliche Veranstaltung. Die Kommission wählt Vorbildliches - und das scheint nicht im Privatfernsehen stattzufinden. Einzig ProSieben darf sich unter den Privatsendern über eine Auszeichnung freuen: In der Kategorie "Unterhaltung" gewinnt "Applaus und Raus!" mit Oliver Polak. Dem seien, so Jury-Leiterin Klaudia Wick, lange Diskussionen vorausgegangen. Einer der Juroren, "Taz"-Medienressortleiter Jürn Kruse, hatte sich via Taz.de sogar in einem offenen Brief davon distanziert.
Ein Grimme-Spezialpreis in dieser Kategorie geht an das Team der Sendung "Neo Magazin Royale" (ZDF/ZDF Neo) rund um Jan Böhmermann. Gewürdigt wurden die Beiträge #Verafake und "Einspielerschleife".
Für den Satiriker Böhmermann ist es der dritte Grimme-Preis nach dem für das "Neo Magazin" 2014, Vorgängerformat des "Neo Magazin Royale", sowie der Auszeichnung für #Varoufake 2016. Doch an der Preisverleihung im vergangenen Jahr hatte Böhmermann nicht teilgenommen. Grund war die Aufregung rund um sein "Schmähgedicht" über den türkischen Präsidenten Erdogan. Die Kommission verlieh ihm 2016 außerdem eine "Besondere Ehrung" für seine Verdienste um die Entwicklung des Fernsehens in der digitalen Welt.
Beiden Unterhaltungs-Preisträgern sei ihre Liebe und kritische Haltung zum Medium Fernsehen gemein, so Jury-Leiterin Wick. In der Kategorie "Unterhaltung", in der durchaus private Anstalten nominiert gewesen waren, hat es am Ende für Vox und "Kitchen Impossible" oder "Die beste Show der Welt" von Joko und Klaas auf ProSieben nicht gereicht (nominiert war außerdem die Satireshow "Extra 3" des NDR).
Das sah schon mal besser aus für die RTL-Gruppe und ProSiebenSat.1: 2016 war ein starkes Jahr für die Privaten, da wurde unter anderem die RTL-Serie "Deutschland 83" geehrt, Vox setzte sich mit "Der Club der röten Bänder" durch, N-TV und TNT standen ebenso auf der Gewinnerliste. 2014 holte ProSieben einen Preis ab ("Circus Halligalli"), ebenso wie 2013 ("Switch reloaded"). Im selben Jahr gewann TNT-Serie mit "Add a Friend" - und die Nominierung des "Dschungelcamps" sorgte für Aufregung, das Format ging aber am Ende leer aus. 2012 gewann Tele 5 einen Grimme-Preis mit "Walulis sieht fern". Das mal für den Überblick.
Immerhin: 2015 gingen die Privatsender völlig leer aus - das ist heuer nicht passiert.
"Das Preisjahr 2016 verdeutlicht einmal mehr, dass die Frage der gesellschaftlichen Relevanz von Produktionen bei der Bewertung und der Frage danach, was vorbildliches, preiswürdiges Fernsehen ist, bei den Grimme-Jurys eine Rolle spielt", sagt Grimme-Direktorin Frauke Gerlach.
Alle 15 Preisträger für den Grimme-Preis 2017, der am 31. März verliehen wird, gab das Grimme-Institut heute bekannt. Die Gala wird von 3 Sat übertragen.
Abräumer: die ARD-Anstalten, allen voran der SWR
Fernsehstoffe von gesellschaftlicher Aktualität zählen in diesem Jahr zu den großen Gewinnern. Journalistische Dokumentationen über die Abschiebung von Asylbewerbern, die Ausbreitung der Seuche Ebola in Liberia sowie Kriegsreportagen aus dem Grenzgebiet zwischen Syrien und dem Irak waren der Wettbewerbskommission weitere der insgesamt 15 Preise wert.
Ein hochpolitisches Jahr über alle Kategorien hinweg, so die Kommission. Außerdem gab es die erste Auszeichnung für eine fiktionale Webserie ("Wishlist") sowie den jüngste Preisträger in der Geschichte von Grimme: Für seine darstellerische Leistung in "Der Mond und ich" (ZDF) wird Vincent Hagn ausgezeichnet - er ist acht Jahre alt. Das Fernsehjahr 2016 sei geprägt gewesen durch die gesellschaftspolitische Lage und die Themenkomplexe Flucht, Krieg und NSU sowie die Transformationsprozesse, die Fernsehen aktuell durchläuft.
Noch nie in der Geschichte des begehrten Grimme-Preises für Qualitätsfernsehen musste die Wettbewerbskommission aus so vielen Nominierungen auswählen wie in diesem Jahr.
Fiktion
- "Das weiße Kaninchen" (SWR)
- "Dead Man Working" (HR/ARD Degeto)
- "Ein Teil von uns" (BR)
- "Mitten in Deutschland: NSU - Die Täter - Heute ist nicht alle Tage" (SWR/ARD/Degeto/MDR)
- Spezialpreis für Gabriela Sperl für das das Konzept zur NSU-Trilogie
Information und Kultur
- "45 Min: Protokoll eine Abschiebung" (NDR)
- "Ebola - Das Virus überleben" (SWR/ARTE)
- "Junger Dokumentarfilm: Hundesoldaten" (SWR)
- "Schatten des Krieges" (RBB/NDR)
- Preis für besondere journalistische Leistung an Ashmin Raman für "Im Nebel des Krieges - An den Frontlinien zum 'Islamischen Staat'" und "An vorderster Front"
Unterhaltung
- "Applaus und Raus!" mit Oliver Polak (ProSieben)
- Grimme Preis Spezial für das Team der Sendung "Neo Magazin Royale" (ZDF/ZDF Neo) und Jan Böhmermann für #Verafake und "Einspielerschleife"
Kinder & Jugend
- "Der Mond und ich" (ZDF)
- "Nordstadtkinder - Lutwi" (WDR)
- "Wishlist" (RB/MDR/Funk)
Der undotierte Grimme-Preis zeichnet Fernsehsendungen und -leistungen aus, die von Kommissionen als vorbildlich und modellhaft bewertet wurden. Er gilt als einer der wichtigsten Preise für Qualitätsfernsehen in Deutschland. Stifter des Preises ist der Deutsche Volkshochschul-Verband. Die Auszeichnung wird seit 1964 jährlich verliehen. Alle Preisträger finden Sie auch hier. (W&V Online/mit dpa)