Bewegtbildkongress TV Komm :
Glotze wird Auslaufmodell
Kein festes Programm, kein TV-Gerät - aber dennoch Fernsehen: Mit den Konsequenzen für die Inhalte beschäftigt sich der Medienkongress TV Komm.
Das Fernsehgerät verliert schnell seine dominierende Rolle als Fenster zur Welt. "Der Verkauf von klassischen Fernsehgeräten geht nun schon das zweite Jahr in Folge zurück", sagt der für Unterhaltungselektronik zuständige Bereichsleiter beim Branchenverband Bitkom, Michael Schidlak, auf dem Medienkongress TV Komm in der Messe Karlsruhe. In diesem Jahr würden in Deutschland noch 7,8 Millionen TV-Geräte verkauft, aber fast 30 Millionen Smartphones und 9,5 Millionen Tablet-Computer. "Das hat Auswirkungen auf die Mediennutzung", so Schidlack weiter. Die Branche erwartet in diesem Jahr insgesamt einen Rekordabsatz von 52 Millionen verkauften Bildschirmgeräten in Deutschland – dagegen wirkt die genannte Zahl an "Glotzen" gering.
Die neuen Geräte und neue Programme werden den Fernsehkonsum nach Einschätzung der Branche in den nächsten Jahren dramatisch verändern. "Wir bewegen uns mit hoher Geschwindigkeit in eine ganz neue Welt", betont Thomas Langheinrich, Präsident der Stuttgarter Medienanstalt LfK. Bei den sich dann stellenden neuen Fragen der Regulierung hinke der Gesetzgeber der Entwicklung hinterher. Neben dem linearen Fernsehen von einem Programmpunkt zum nächsten gewinnt das "On-Demand"-Fernsehen an Bedeutung - hier werden Sendungen bei Bedarf aus dem Internet abgerufen. Dies werde von den Sendern nicht als Bedrohung, sondern als Chance betrachtet, sagt Claus Grewenig, Geschäftsführer des Privatfunkverbands VPRT. "Das Gerät, auf dem konsumiert wird, ist egal. Es geht darum, dass der Inhalt da ist und dass er überzeugt." Vermarkter wie das RTL-Unternehmen IP Deutschland haben sich bereits darauf eingestellt; die Kölner bieten seit einiger Zeit "Fourscreen"-Werbeofferten an.
Für eine möglichst liberale Gestaltung des Medienmarktes spricht sich der Chef des Kabelnetzbetreibers UnityMedia KabelBW, Lutz Schüler, aus: "Lasst uns nicht zu Tode regulieren!" Die deutschen Fernsehanbieter müssten mehr riskieren, wenn sie nicht weiter im internationalen Vergleich der Entwicklung hinterher hinken wollten. Er ruft dazu auf, sich bei der Produktion etwa von Serien mehr an den USA orientieren: "Die Welt ist global und das Zeug kommt hier an." Mit Netflix steht ein US-VoD-Portal vor europäischen Toren, das mit der Eigenproduktion der Serie "House of Cards" neue Standards gesetzt hat. Erst vor wenigen Tagen hielt Strategieberatung Arthur D. Little nüchtern fest: Die Anbieter von Medieninhalten wie private oder öffentlich-rechtliche TV- oder Radiosender müssen sich jetzt erneut anpassen, "sonst drohen neue Marktteilnehmer wie zum Beispiel Netflix mit innovativen Video-on-Demand-Angeboten den klassischen Distributoren zumindest auf lange Sicht die Show zu stehlen", so die Analyse, die den Sendern auch konkrete Tipps gibt.
ps/dpa