Was unterscheidet das neue "Mobile Next" vom alten?

Vorher hat das Blatt keine Geschichten aus dem spannenden mobilen Alltag gebracht, daher sind auch 70 bis 80 Prozent des Heftes neu durchdacht und konzipiert. Die Neue Mediengesellschaft Ulm hat mich bewusst geholt, weil ich aus der so genannten Lifestyle-Ecke komme. Hervorragendes Technikwissen und Marktkenntnis steckten mehr als ausreichend in dem Heft – das zu erhalten war Chefredakteur Roland Bernhard und mir auch sehr wichtig. Der Titel gibt sich nun allerdings magaziniger, lifestyliger, es menschelt mehr. Um das Technologie-Know-how muss sich aber niemand sorgen, das bleibt und macht uns unique. Um das zu illustrieren: Die "GQ" kann Ihnen nicht erklären, wie man mobile Hacker abwehrt. Dafür empfiehlt man Ihnen, dass das iPad-Täschchen von Prada hübsch ist. Völlig OK, uns reicht das nur nicht. "Mobile Next" stellt den Versuch eines Hybriden dar – der einerseits modernen Magazinjournalismus mit üppigen Fotostrecken und inspirierenden Reportagen produziert, der andererseits aber Männern, die sich jeden Tag unserem mobilen Alltag stellen, handfeste Tipps und Gadget-Empfehlungen liefert und dabei nicht bloß an der Oberfläche kratzt.

Welches Rezept steckt hinter "Mobile Next"?

Nehmen wir in der ersten Ausgabe nach dem Relaunch die rasante Story des Vize-Weltmeisters der Fahrradkuriere, dem unser Autor durch die Straßenschluchten von New York hinterherjagte. Das ist eine Geschichte, die auch in der "Zeit" ihren Platz hätte. Und das sind Lesestücke, ich nenne sie "Leuchttüme", von denen unsere Leser Familie und Freunden erzählen. Und, ja, solche Artikel sind die Benchmark für alle weiteren Hefte. Zudem machen wir uns Gedanken über den Internet-Auftritt und wie wir den Dialog mit unserer Zielgruppe vertiefen können.

Was steckt in "Mobile Next" bereits an Online-Ideengut?

Die Service-Überzeugung. Die Zukunft des Journalismus im Internet hängt stark von zwei Säulen ab: Service und Meinung, Letzteres im Sinne von Kolumnen oder einer Einordnung von Inhalten. Ich glaube, dass noch mehr gut geschriebene Servicethemen, die den Leser inspirieren und in seinem Leben weiterbringen, in Printmagazine einziehen müssen. Was kannst du für deinen Leser tun? - das ist die bestimmende Frage. Sehen Sie sich nur einmal an, welche Filme die YouTube-Charts anführen: Werbegeld verdient dort, wer Krawattenknoten erklärt, den Nude-Make-Up-Look nachschminkt oder Computerspiele step by step enträtselt. Das ist die Ware "Information" im Web 2.0. Und im übrigen auch etwas, was ich meist im Internet suche: Antworten auf konkrete Probleme und How-to-Ideen – von banal bis hochintellektuell.

Klingt nach einem Magnet vor allem für junge Zielgruppen oder zieht das Konzept auch Silver Surfer an?

Ich glaube nicht mehr an Demographie und die demographische Zielgruppe. Ein Heft für 22- bis 35-Jährige macht bei unserer starken Diversifizierung der Interessen und Nischen kaum mehr Sinn – deshalb verabschieden sich die Verlage davon auch allmählich. Zielgruppen definieren sich immer mehr über die Frage: Was eint die Leser? Es geht mehr um einen Spirit – wie ihn die "Mobile Next" aufnimmt. Natürlich sind wir längst noch nicht am Ende. Einer Wiedergeburt in Print ist mit einer Ausgabe nicht beendet, jetzt folgt das Finetuning.

General Interest auf Print ist tot – so eine These von Autor und Blogger Michael Kneissler. Stimmt das?

Eine sehr interessante Frage. Es ist noch recht früh, zu sagen, der große Bauchladen sei passé. "Stern" und Co. stehen nicht so schlecht da, das man Totenglöcklein läuten müsste. Richtig ist aber: Für weitere große und thematisch breitgefächerte Titel ist kein Platz mehr am überfüllten Kiosk. Diese Kaufhaus-Mentalität wird mittelfristig zum Relikt. In den letzten Jahren haben die Verlage daher ihr Zielfernrohr auf die Nische gerichtet. Spannend finde ich, wenn Neugründungen nicht versuchen, sich mit geballter Werbepower in bestehende Märkte zu drängen, den immer gleichen Kuchen in immer feinere Stücke zu zerteilen, sondern neue Zielgruppen an sich binden können. "Neon”, "Nido", "Happinez”, "Dogs”, "Monocle” und "Business Punk" sind da recht lehrreiche Beispiele. Und einen ähnlichen Ansatz verfolgen wir auch mit "Mobile Next", wobei wir die bestehende Leserschaft der Technik-Fans behalten wollen.

Reine Blogger – könnten die ein solches Blatt machen?

Schwierig. Das soll jetzt nicht versnobt klingen – aber mindestens 80 Prozent der Arbeit im Journalismus sind Handwerk. Es hilft also bei einem Projekt, wie ich es begleiten darf, wenn man die Sprache des Print-Genres spricht. Im Blog geht mehr durch, da verzeiht der Leser Tippfehler und kleine Ungenauigkeiten. Gelernte Print-Journalisten sind da, im Idealfall, sehr viel genauer, was etwa die Rechtschreibung, Bildrechte (!) oder Presserecht betrifft. Ich glaube, es würde den einen oder anderen Blogger durchaus voranbringen, wenn er in einer klassischen Redaktion hospitieren würde. Und die Redakteure eventuell auch.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.