Paid Content:
47.000 digitale "Welt"-Abos: Was bringt das eigentlich?
Wie viel Geld spülen 47.000 Digital-Abos in die Kassen von Axel Springer? Und kann das reichen, um den "Welt-Apparat aufrecht zu erhalten? Wir haben nachgerechnet.
47.000 Digital-Abos für "Die Welt". Ist das viel? Ist das der Journalismus von morgen? Die Branche feierte die Zahlen überwiegend als "ermutigend", abgesehen von Stefan Niggemeier, der schreibt, dass die Zahl 47.000 nicht so imposant sei, wie sie klinge. "Sie lässt sich nicht seriös bewerten, weil die Axel Springer AG, wie es ihrer Geschäftskultur entspricht, keine detaillierten, nachvollziehbaren Angaben macht, sondern bloß eine Black Box in den Raum stellt, deren Größe eindrucksvoll, deren tatsächlicher Inhalt aber unbekannt ist."
Wir versuchen, diese Black Box mit Hilfe des Paid-Content-Experten Marco Olavarria etwas zu beleuchten. Er ist Geschäftsführer bei dem Beratungs-Unternehmen Kirchner + Robrecht, das seit 20 Jahren für Verlage arbeitet. Für W&V Online hat er eine Modell-Rechnung erstellt, um die Erlöse aus den Digital-Abos einzuschätzen. Was verdient die "Welt" mit Paid Content? Vorab – würde die Welt Gruppe rein auf Online-Abos setzen, es würde vorne und hinten nicht zum Überleben reichen. Jedenfalls nicht für eine Welt-Gruppe in der jetzigen Form.
In der optimistischsten Rechnung hätte "Die Welt" in den ersten sieben Monaten nach Einführung der Paywall 383.000 Euro Umsatz gemacht. Auf das ganze Jahr gesehen, könnte "Die Welt" also mit den jetzigen Abonnenten etwa eine Millionen Euro einnehmen. Wir gehen dabei davon aus, dass die Abonnenten zunächst ein Probeabo für 99 Cent haben und halten uns an die Zahlen der Springer-Pressestelle, wonach drei Viertel davon das Probeabo in eines der drei angebotenen echtes Abo umwandeln. In der optimistischen Rechnung schließen 60 Prozent das "Digital Basis" ab für monatlich 4,49 Euro, 20 Prozent wählen das Paket "Digital Komplett" für 12,99 Euro und ebenfalls 20 Prozent zahlen 14,99 Euro für „Digital Plus“. Niggemeier wies darauf hin, dass bei den 47.000 Abonnenten auch diejenigen mitgezählt sind, die nur die günstigen Smartphone-Apps für 1,79 Euro, bzw. 3,59 Euro im Monat kosten. Die Springer-Pressestelle versicherte gegenüber W&V Online, dass deren Anteil verschwindend gering sei, also ist er in der Rechnung nicht berücksichtigt.
In einer konservativeren Rechnung schließen 90 Prozent der Abonnenten das günstige Basis-Abo ab und nur jeweils fünf Prozent wählen eine der beiden teureren Varianten. Bei diesem Gedankenspiel kommt Olavarria in seiner Rechnung auf Einnahmen von 274.000 Euro in den ersten sieben Monaten. In einem Jahr wären es dann – würden keine weiteren Abonnenten hinzukommen - 660.000 Euro.
Der tatsächliche Umsatz, den die Digital-Abos bis jetzt eingebracht haben, dürfte also zwischen 274.000 Euro und 383.000 Euro liegen. Ein Zusatzgeschäft im Vergleich zu den Einnahmen, die 422.000 gedruckten Ausgaben von "Welt", "Welt am Sonntag" und "Welt kompakt" im Abo und Kiosk-Verkauf bringen. Aus den USA weiß man, dass Digital-Abos keine nennswerte Schrumpfung bei den Print-Abos zur Folge haben. Zum Glück, denn ein Print-Abonnent, der etwa 45 Euro im Monat für "Die Welt" zahlt, ist für den Verlag freilich wertvoller, als ein Digital-Abonnent, der im besten Fall knapp 15 Euro bezahlt.
Könnte "Die Welt" überleben, wenn es nur noch Online-Abos gäbe? Die Antwort ist nicht einfach. Man müsste wissen, wie hoch die Akquisitionskosten je Kunde sind. Wie lange bleiben die Abonnenten treu? Was kostet die Technik im Vergleich zum Druck und der Zustellung? Wie sind die Werbeumsätze? "Das Überleben als reine Online-Company würde einen massiven Umbau erfordern, da die heutigen Strukturen ja darauf ausgerichtet sind, das Printgeschäft abzubilden", sagt Olavarria.