Größenkampf im Regal:
"Unterschiedliche Packungsgrößen erschweren die Vergleichbarkeit"
Das Spiel mit Füllmengen und Preisen ist für Markenmacher lukrativ. Wann die Grenze zur Verbrauchertäuschung überschritten ist, erläutert Pricing-Experte Oliver Roll im Interview.
Klein, extragroß, winzig: Markenprodukte sind in den unterschiedlichsten Packungsgrößen zu bekommen. Ein lukratives Spiel, von dem Markenmacher gleich mehrfach profitieren, wie W&V-Autor Martin Bell in der aktuellen Ausgabe der W&V (Nr. 8) beschreibt. Mit Pricingexperte Oliver Roll, Professor für internationales Marketing und Preismanagement an der Hochschule Osnabrück und Gründer der Unternehmensberatung Roll & Pastuch, hat er über das Spiel mit Füllmengen und Preisen gesprochen.
Professor Roll, im Segment der Fast Moving Consumer Goods erinnert das Gewimmel von Verpackungsgrößen und Preisen mitunter an ein Versteckspiel. Ist Pricing nur ein anderes Wort für Verbrauchertäuschung?
Wir sollten zwei Aspekte klar voneinander trennen. Zum einen das Angebot verschiedener Verpackungsgrößen zu unterschiedlichen Preisen etwa in Supermärkten und bei Discountern. Das ist normale Vertriebspolitik. Zum anderen reduzierte Füllmengen in der ursprünglichen Verpackung zum bisherigen oder gar zu einem höheren Preis. Das sind Mogelpackungen, die Verbraucher bewusst täuschen sollen. Das wird zu Recht abgestraft.
Dr. Oetker bekam Anfang des Jahres den Zorn der Verbraucher zu spüren, als sich sein Vitalis-Früchtemüsli den Preis als "Mogelpackung des Jahres" einhandelte. Mogelpackungen verstoßen gegen das Gebot der Pricing-Fairness.
Der Liter Coca-Cola ist bei Aldi für umgerechnet 76 Cent zu haben, bei Edeka kostet er rund 40 Prozent mehr. Ist das fair?
Dass Grundpreise für ein und dasselbe Produkt je nach Füllmenge und Verpackung variieren, ist Alltag und legitim. Bei Aldi kauft man Ware günstiger als bei Edeka, dafür muss man als Verbraucher auch einen geringeren Service und weniger Auswahl in Kauf nehmen. Das ist so weit für alle Beteiligten okay.
Wenn aber die 1-Liter-Flasche Limonade der Marke XY bei Edeka für 1,89 Euro und bei Aldi für 1,19 Euro zu haben ist, dann erzeugt das Preisdruck, weil sich die 1,19 Euro bei allen als Preisanker einprägen. Unterschiedliche Füllmengen und Gebindegrößen in verschiedenen Vertriebskanälen erschweren die Vergleichbarkeit und gestatten es Markenherstellern, den Preisdruck zu verringern, da es mehr als nur einen Preisanker gibt. Entscheidend ist also eine gelungene Kombination aus Sortimentspolitik und Pricing.
Die 100-Gramm-Tafel ist unter Schokoladen, könnte man meinen, nur noch eine Randerscheinung: 75, 80, 90 Gramm liegen in den Regalen. Verwirrungstaktik?
Hier steht eher im Vordergrund, Preispunkte konstant zu treffen. Besonders anschaulich ist das Beispiel Milka. Die verschiedenen Milka-Produkte liegen in der Regel in einer Preisklasse, haben aber ein unterschiedliches Gewicht: Milka Waves wiegt 81 Gramm, Milka Collage 93 Gramm, Trauben-Nuss 100 Gramm. Alle kosten 1,09 Euro.
Marketingexperten rechtfertigen teils erhebliche Preisunterschiede für ein und dasselbe Produkt damit, dass mit einer anderen Verpackung ein neues Produkt entsteht. Ritter Sports Schoko-Minis sind in der Vorratsbox demnach etwas anderes als im Schokoturm.
Die Packungen sprechen in der Tat andere Konsumhorizonte und womöglich andere Zielgruppen an: die Vorratsbox für die junge Familie, der Schokoturm vielleicht als Mitbringsel für den Nachmittagskaffee mit den besten Freundinnen. Zielen Füllmengen und Verpackungsdesign auf unterschiedliche Konsumwünsche und Verwendungsanlässe, hat das Einfluss aufs Pricing.
Ob Singles oder Familien ihren Wocheneinkauf erledigen, ob man etwas für sich holt oder eine Aufmerksamkeit für Freunde: Das wirkt sich aufs Shoppingverhalten und die Sensibilität für Preispunkte aus.
Interesse an weiteren Trends und Insights zum Thema Verpackungsdesigns? Dann kommen Sie zum Packaging Summit von W&V am 14. März in München. Hier finden Sie das vollständige Programm – und natürlich eine Möglichkeit zur Anmeldung.