Spiegel-Verlag:
"Spiegel": Brinkbäumer und Harms bleiben an der Macht
Die neue journalistische Spitze im Spiegel-Verlag steht: Klaus Brinkbäumer ist ab sofort Chefredakteur des "Spiegel", Florian Harms von Spiegel Online. Offen ist noch, wer den Posten von Ove Saffe als Verlagsgeschäftsführer beerbt.
Nach einem einjährigen Gezerre um die Macht hat sich die neue journalistische Führungsmannschaft im Spiegel-Verlag formiert: Klaus Brinkbäumer ist ab sofort Chefredakteur des gedruckten "Spiegel", Florian Harms von Spiegel Online. Dies teilt der Spiegel-Verlag mit. Die Journalisten lösen Wolfgang Büchner ab, der das Nachrichtenmagazin bereits zum Jahresende verlassen hat. Die Wahl von Brinkbäumer und Harms ist keine Überraschung mehr. Sie hatten bereits seit dem Ausscheiden des ehemaligen dpa-Chefredakteurs die Geschäfte geführt. Noch offen ist hingegen, wer Ove Saffe als Verlagsgeschäftsführer folgt. Der ehemalige Stern-Manager hatte im Zuge des Ausscheidens von Büchner sein Amt niedergelegt. In der Branche wird kolportiert, dass der Verlag auf der Suche nach einem externen Kandidaten ist. Angeblich wird aber auch Spiegel-TV-Chef Matthias Schmolz reges Interesse an dem Posten nachgesagt.
Mit dem Wechsel in der Chefredaktion dürften endlich die großen Streitigkeiten in der Redaktion zu Ende gehen. Büchner hatte die Print- und Online-Redaktion mit seinem Konzept "Spiegel 3.0" gegen sich aufgebracht. Öffentlichkeitswirksam kam es zu einem Schlagabtausch zwischen ihm und der Redaktion, deren Mitglieder über die Mitarbeiter-KG auch Gesellschafter des Verlags sind. Doch Büchner eckte nicht nur mit dem Projekt "Eisberg" an. Auch viele andere Ungeschicktheiten trieben die Redaktion zur Weißglut - darunter die Wahl des ehemaligen "Bild"-Vizes Nikolaus Blome in die Chefredaktion.
Mit dem jetzigen Besetzung wagt der "Spiegel" einen Neustart, um wieder Ruhe in Verlag und Redaktion zu bekommen. Dies ist wichtig, denn das Nachrichtenmagazin hat jüngstens seinen Erscheinungstag auf den Samstag vorverlegt und sich gleichzeitig - dank Thjnk - einen neuen Markenclaim "Keine Angst vor der Wahrheit" verpasst. Er löst nach 40 Jahren den alten Werbespruch "Spiegel-Leser wissen mehr" ab. In dieser Phase der Neupositionierung kann sich der Verlag keine neuen Streitigkeiten leisten, zumal das Unternehmen in die Markenkampagne und Umbauten Millionenbeträge investiert hat. Ein neues Gezerre in der Führungsetage könnte zudem der Auflage weiteren Abbruch tun, die in der letzten Zeit weiter unter Druck geraten ist.
Mit Brinkbäumer hat der Verlag an der Ericus-Spitze einen neuen Chefredakteur ernannt, den die Redaktion akzeptiert und seit Längerem kennt. Der 47-Jährige stieß 1993 zum Hamburger Nachrichtenmagazin, wo er zunächst als Redakteur und dann als Reporter für die Ressorts Sport, Deutschland, Ausland und Gesellschaft arbeitete. 2011 wurde er als Textchef zum Mitglied der Chefredaktion ernannt, seit 2011 ist er stellvertretender Chefredakteur. Auch Harms ist im Verlag kein Unbekannter. Er kam im Mai 2004 zunächst als freier Nachrichtenredakteur zum "Spiegel", seit März 2011 ist der 41-Jährige stellvertretender Chefredakteur des Online-Portals.
Auf beide neuen Spiegel-Chefs kommen große Herausforderungen. Sie müssen versuchen, den gedruckten und den digitalen Spiegel stärker aneinander zu rücken. Dabei dürfte sie auch die Frage klären, ob Spiegel Online in seiner derzeitigen Form weiter geführt wird. Das Online-Portal steht hausintern in der Kritik, zunehmend in die Boulevard-Schiene abzugleiten.
