"Kein Markt für Kreativität"
Schlechte Zeiten für gute Werbung: „Es gibt momentan keinen Markt für Kreativität“, glaubt Detmar Karpinski. Warum das so ist und wie es sich ändern könnte, erklärt der KNSK-Chef im Exklusiv-Interview mit W&V.
„Es gibt momentan keinen Markt für Kreativität“, lautet die deprimierende Feststellung von KNSK-Kreativgeschäftsführer Detmar Karpinski. Sein Trost: Bei den digitalen Medien scheinen die Freiräume für Werber größer zu sein.
W&V Herr Karpinski, im Markt häufen sich Stimmen, dass in der klassischen Werbung immer mehr Schweinebauch und immer weniger Image-Werbung gefragt sei. Können Sie mit dieser Kritik etwas anfangen?
Karpinski Es sind zwei Trends: einerseits mehr Schweinebauch und weniger Image, andererseits werden die Image-Kampagnen immer flacher. Das hat natürlich mit der Krise zu tun; es gibt momentan keinen Markt für Kreativität. Die Kunden wollen gerade in schwierigen Zeiten ein Höchstmaß an Sicherheit. Marktforschung boomt.
Heißt das, die Marktforschung ist der Feind einer guten und mutigen Kreation?
Marktforschung ist auch ein Grund dafür, dass Kampagnen mainstreammäßig verflachen. Andererseits: Ich kann jeden Marketingchef verstehen, der sich absichert, schließlich geht es um Millionen. Werbung muss wirken. Und dazu muss sie der Zielgruppe gefallen und nicht dem 25-jährigen Art Director.
Aber gerade bei der TV-Werbung hat man das Gefühl, dass den Kreativen nicht mehr viel einfällt. Wenn es zum Beispiel um Waschmittel oder Zahnhygiene geht, laufen wieder grau melierte Herren im weißen Kittel durchs Bild - wie vor 30 Jahren.
Wir sind in diesem Produktsegment nicht aktiv, ich kann wenig dazu sagen. Aber ich vermute, dass die Hersteller solcher Produkte glauben, ihre Marketingziele mit solchen Kittelträgern am besten erreichen zu können.
Aber ist das nicht ein wenig blutleer und zeigt, dass Kreativen die Ideen ausgehen?
Ich glaube nicht, dass das mit der Qualität der Kreativen zu tun hat. Deutschland hat in den letzten Jahren enorm aufgeholt und gehört in Cannes regelmäßig zu den drei besten Nationen der Welt. Auch wenn ich zugeben muss, dass diese Ergebnisse zu 90 Prozent auf Fake-Kampagnen basieren.
Welche Rolle spielt dabei der Trend, dass Werbung und Marketing sich immer stärker auf digitale Kanäle und Interaktion konzentrieren?
Diese Entwicklung hat was damit zu tun, dass die digitalen Medien noch jung und vergleichsweise günstig sind. Dadurch sind die Freiräume größer, die eine oder andere Kampagne ist spektakulärer, und es gibt Beispiele, wo mit wenig Geld viel erreicht worden ist.
Müssen wir Zuschauer uns davon verabschieden, dass auch TV-Spots, Anzeigen & Co. unterhalten können? Cannes-Rolle ade?
Ich bin ganz sicher, dass die Qualität der klassischen Werbung besser wird, sobald die Konjunktur wieder anspringt. Die derzeitige Entwicklung ist ein Krisenphänomen, das wir auch 2001/2002 schon einmal hatten. Wenngleich nicht so ausgeprägt. Außerdem hat die Cannes-Rolle ja nichts mit der Realität zu tun. 90 Prozent der Arbeiten sind für die Cannes-Rolle gemacht worden, nicht für den Markt.
Stichwort Leuchtturmkampagne: Welche klassische Kampagne der letzten Zeit fällt Ihnen da ein?
Die für Hornbach. Eine Kampagne, die in jeder Hinsicht Leuchtturmfunktion hat. Keine Stangenware, sondern Haute Couture.
Lesen Sie die komplette Titelgeschichte zum Thema "Kreation in der Krise" in der aktuellen Ausgabe von W&V (Nr. 16/2010, Erstverkaufstag 22. April).