iPad mini:
"Die Marke wird Apple noch eine ganze Weile tragen"
Trotz iPad mini: Apple verliert an Innovations- und Technologievorsprung, glaubt Nikolaus Mohr vom Beratungskonzern Accenture. Das könnte auch für die Marke gefährlich werden......
Am Dienstagabend hat Apple das neue iPad mini vorgestellt. Bewusst hatte Apple den Präsentationstermin vor den Marktstart von Windows 8 gelegt. W&V Online hat sich mit Nikolaus Mohr, Experte für Telekommunikation und Unterhaltungselektronik beim Beratungskonzern Accenture, darüber unterhalten, was das neue Gerät für den Markt bedeutet, warum Apple mit dem kleinen Tablet reagieren musste und was die Entwicklungen für die Marke Apple bedeuten.
W&V: Ist das iPadMini wirklich ein eigenes Gerät oder ist es nur eine Line-Extension, die ein bereits vorhandenes Produkt ergänzt? Hat es eine Zukunft?
Nikolaus Mohr: Über die Zukunft kann man nur relative Aussagen machen. Sicher aber ist, dass es sich heute keine führendes Unternehmen der Consumer Electronics-Branche leisten kann, eine Kategorie auszulassen. Wenn diese Kategorie von Geräten Nutzer findet und ein Erfolg wird, dann kann das für das Unternehmen und seine Marktposition bedrohlich werden. Hier herrscht ein sehr intensiver Wettbewerb. Samsung hat mit dem Galaxy Note, Amazon mit dem Kindle Fire entsprechende Geräte im Markt. Hier musste Apple einfach ein entsprechendes Gerät platzieren.
Wie schätzen Sie die Marktchancen ein? Findet das Gerät seine Zielgruppe?
Apple will sicherlich mit dem iPad Mini Zielgruppen erschließen, die vorher noch nicht Apple gekauft haben. Das können Nutzer von Samsung- oder Amazon-Produkten sein. Es könnten aber auch Verbraucher aufspringen, die bisher noch kein Tablet hatten oder denen das iPad zu teuer und zu unhandlich war.
Ist das Gerät aber – im Vergleich zu der Konkurrenz – mit 329 Euro nicht zu teuer? Der Kindle Fire ist ja beispielsweise sehr viel günstiger.
Apple hat ja die Strategie, über Inhalte Geräte zu verkaufen, Amazon verfolgt genau die umgekehrte Strategie: Über Geräte Inhalte zu verkaufen. Jede Strategie hat ihre Berechtigung. Mit dem neuen Gerät kann Apple ein Einstiegsgerät anbieten, ohne seine Premium-Preispolitik zu ändern.
Aber wird die Strategie aufgehen?
Ja. Apple hat eine starke Fangemeinde, die sich über jedes neue Gadget freut. Auch das iPad Mini werden sie kaufen. Ob es jetzt zehn oder 100 Millionen Geräte sein werden – das lässt sich jetzt aber noch nicht sagen.
Welche USP muss Apple bei der Werbung betonen, um auf dem Markt das Gerät erfolgreich platzieren zu können?
Die Frage ist, ob nicht Apple allein schon durch seine Marke einen USP hat. Wenn man sich die Features ansieht, dann hat das Gerät alles, was die Konkurrenz auch anbietet. Es gibt wenig, das stark hervorsticht. Apple hat immer schon auf Chic, Strahlkraft, einen gewissen Glamour gesetzt. Nahezu jeder hat dem entgegen gefiebert, was Steve Jobs oder seine Nachfolger Neues präsentieren. Genau deshalb kann Apple überhaupt seine Hochpreisstrategie fahren.
Wie lange kann Apple denn allein von seiner Marke zehren?
Das ist nicht nur eine Marken- sondern auch eine Systemdiskussion. Viel hängt davon ab, inwieweit sich die Verbraucher auch zukünftig auf ein geschlossenes System einlassen wollen. Nach unseren Erfahrungen bevorzugen viele Verbraucher eher offene Systeme. Nach einer Weile in einem geschlossenen System suchen sie ihre Freiheit. Der Technologie- und Innovationsvorsprung von Apple schmilzt, bei iPad Mini und beim iPhone5 musste das Unternehmen erstmals reagieren. Mittelfristig kann das auch für den Marken-Bonus problematisch werden. Aber die Marke wird Apple noch eine ganze Weile tragen.
Wer wird dann der neue Technologieführer? Microsoft? Immerhin hat Apple den Präsentationstermin sehr bewusst ganz knapp vor den Marktstart von Windows 8 gesetzt.
Ich bezweifle, dass der Verbraucher diese konkurrierenden Termine überhaupt wahrnimmt. Aber für die Werbewirksamkeit könnte es spannend sein, immerhin hat Apple auch bewusst den verbesserten iMac vorgestellt. Es ist schwer abzusehen, wer der neue Technologieführer sein wird. Alle Konkurrenten haben das Potenzial dazu. Auch Microsoft mit Windows 8. Gerade, weil es etwas Neues ist, Office-Anwendungen auf einem Tablet per Touchscreen zu bedienen. Das Tablet wird zu einem nahezu vollwertigen PC, der nach Tastatur und Mouse jetzt einfach per Touchscreen gesteuert wird. Das könnte der Schritt sein, der von den Verbrauchern außerordentlich geschätzt und als Technologievorsprung gewertet wird.