TV-Kritik :
"Die Band": ProSieben stimmt mit Samu Haber neue Töne an
Schade, dass "Die Band" bei ProSieben zum Auftakt so wenig Fans gefunden hat: Das neue Musikformat mit Samu Haber ist durchaus sehens- und hörenswert, findet W&V-Redakteurin Petra Schwegler.
"Die Band" bringt eine Farbe zu ProSieben, mit der Vox seit vergangenem Jahr Erfolge feiert: Samu Haber hat am Donnerstagabend mit einer Musik-Doku-Soap Premiere gefeiert, die durchaus Parallelen zu Xavier Naidoos "Sing meinen Song" aufweist. Drama-frei geht es gleich ins Musikgeschehen, das stets im Mittelpunkt bleibt, die 20 Kandidatinnen und Kandidaten düsen umgehend ins Urlaubsambiente ab (Samus Truppe gastiert in Barcelona), der Zicken-Faktor geht gegen Null. Soweit die Ähnlichkeiten.
Doch gelingt es ProSieben mit der Tresor-TV-Produktion, neue Töne bei den Musikformaten anzustimmen: sehr rockige, die zum Sunrise-Avenue-Frontmann Haber passen. Die Tattoo-Dichte ist hoch, Habers Musiker sind im Gegensatz zu Naidoos Truppe nicht prominent, coole Gitarrenriffs erreichen das Ohr des Zuschauers, statt exotischer Blumen wird ein kühles Bier überreicht. Im Gegenteil: Gelegentlich lässt das neue Format durchblicken, dass ein Leben mit guter Stimme und mit einem Talent für Instrumente an den Rand des Existenzminimums führen kann. Die stimmgewaltige Sängerin Laura etwa ist Hartz-IV-Empfängerin. Ihr gilt auch das erste "typische" Haber-Urteil: "Die Lady mit Eiern". Bewähren müssen sich die Musiker nicht nur über ihr Können, sondern auch bei ungewöhnlichen Tests: Die Gitarristen müssen beispielsweise angeschnallt auf einem Schnellboot gegen den Wind anrocken.
Ach, ja: Ein bisschen Casting geht beim Band-Ausflug dann doch. Der bisherige "The Voice"-Coach Samu Haber begleitet die anfangs 20 Musiker als Profi und Berater rund um das Gründen einer neuen fünfköpfigen Band. Wer nach sechs Wochen und vier Ausgaben zur neuen Gruppe gehört, darüber entscheiden die Musiker selbst - keine Zuschauer, keine Jury. Zum Auftakt haben die Teilnehmer einen Keyboarder und eine Gitarristin rausgewählt. Sehr emotional und ohne Sticheleien – eben im Stil von "The Voice". Doch nach fast zwei Stunden Doku-Soap auf Musikteppich stört das Rauswählen fast schon.
Die Werbeklientel hat zur Premiere eifrig mitgemischt – vom Sponsor Seat über Getränkehersteller (Bionade, Adelholzener, Berliner Pilsener, Jever) und andere Schnelldreher (Dr. Oetker, Ferrero) bis hin zur Unterhaltungsbranche (Stage, Filmreklame); über 40 Marken haben sich im Umfeld des neuen Musikformats getummelt. Anders der Zuspruch beim Publikum: Nicht einmal 700.000 junge Zuschauer (14 bis 49 Jahre) haben den "Band"-Auftakt eingeschaltet. Der Marktanteil von 7,5 Prozent bei den Werberelevanten bewegt sich weit unter dem ProSieben-Radar. Bei den Gesamtzuschauern ist bei 950.000 Schluss gewesen – die Millionenhürde hat Samus "Band" nicht überspielt.
Fazit: Der befürchtete Personenkult um den (frisch gestylten und leicht gebräunten) Samu Haber fällt aus, "Die Band" liefert eine passende Dosis Finnen-Bariton. Ohne Dramen und Gekreische steht die Musik im Mittelpunkt. Vollblutmusiker Haber darf "Typen" um sich versammeln. ProSieben und Tresor TV haben ein durchaus stimmiges Stück rund um den Sympathieträger komponiert. Wer Rockmusik mag, wird "Die Band" begleiten. Pech für ProSieben, dass die Premiere auf einen der ersten schönen Sommerabende in diesem Jahr gefallen und das Publikum wohl lieber im Biergarten geblieben ist; auch vor den anderen TV-Programmen versammelten sich weniger Zuschauer.
Vielleicht fehlt dem ProSieben-Fan bei der "Band" aber auch das fast schon typische Casting-Gezetere oder der Show-Kitzel à la "The Voice" - oder aber die derzeit so beliebten weicheren Musikklänge ...