Virale Kampagnen:
"Die Impfpflicht können wir uns Spahn": Wie Impfkritiker werben
Emotional aufgeladene Botschaften gehen schnell viral: Den Mechanismus nutzen die Impfzweifler und -gegner und lancieren ihre Kampagnen vor allem auf sozialen Medien.
Impfen oder nicht impfen? Das ist die Frage, vor der viele Eltern stehen. Beim Kinderarzt hört man meist ein eindeutiges Ja, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt angesichts eines deutlichen Anstiegs der Masernfälle in Europa - doch auf der anderen Seite wird die Zahl derjeniger, die am Sinn der Spritzen gegen Masern, Mumps, Röteln und Kinderlähmung zweifeln, nicht kleiner. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung zählt zu der Gruppe der sogenannten Impfzweifler.
Der Verein der Ärzte für Individuelle Impfentscheidung rechnet sich dazu. Nachdem das Bundeskabinett im Juli ein Gesetz für Masernimpfung abgenickt hat, will die Initiative verhindern, dass der Bundestag ebenfalls grünes Licht für das Gesetz gibt. Ihre Begründung: Die Bevölkerung habe gesetzlichen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit, zudem hätten Eltern das Recht, die Erziehung und Pflege ihrer Kinder selbst zu bestimmen. Dazu haben die Ärzte eine großangelegte Kampagne gestartet - mit dem Claim "Die Impfpflicht können wir uns Spahn" spielt auf den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an.
Werbemittel zum Mitmachen
Auf der Website Impfpflichtspahn.de bietet der Verein Informationsmaterialien zum Weiterverbreiten an. Auf Mausklick können sich Gleichdenkende Flyer ausdrucken, verteilen oder aufhängen. Ein Social Media-Kit bietet Grafiken, die auf der eigenen Website, Facebook, Instagram und Twitter platziert werden können oder per Email verschickt werden können. "Wo auch immer - so oft es geht, wo immer es geht, an so viele Menschen es geht", heißt es auf der Seite.
Die fertig zugeschnittenen Werbemittel sorgen dafür, dass die Informationen sich schnell verbreiten. Darüberhinaus hat der Verein eine Email-Kampagne vorbereitet. Gleichgesinnte User können auf der Website unter drei Anschreiben wählen und erhalten dazu die Email-Adressen von Minister Spahn, den Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und der Mitglieder des Gesundheitsausschusses.
Impfen ist ein Thema, das unter die Haut geht. Daher bevorzugen Impfgegner meist den direkten Kontakt zur Öffentlichkeit - etwa über Demonstrationen. Am 15. September hat das Netzwerk Impfentscheid Deutschland zum Protestmarsch in Berlin-Mitte gegen die verpflichtende Impfung aufgerufen: Gut 2000 Menschen kamen. Dabei trat der Rapper Wojna von der Duisburger Band Die Bandbreite auf der Ladefläche eines LKWs auf - und sang: "Bitte, bitte impft sie nicht, verabreicht ihnen nicht das Gift!"
Eine emotional aufgeladene Botschaft, die berührt. Genauso wie Vorwürfe, dass die Pharmalobby letztlich hinter dem Gesetz der Impfpflicht stehen würde. Das Robert-Koch-Institut weist das mit dem Argument zurück, dass Pharmafirmen mit Impfstoffen wesentlich weniger Geld verdienen als mit Arzneimitteln, wie sie beispielweise chronisch Erkrankte einnehmen müssen. "Von den knapp 194 Milliarden Euro, die die Gesetzliche Krankenversicherung im Jahr 2014 ausgegeben hat, entfielen 33 Milliarden Euro (17 Prozent) auf Arzneimittel und lediglich etwas mehr als eine Milliarde Euro (0,65 Prozent) auf Impfstoffe", zitiert Tagesschau.de das Institut.
Impfgegner sind laut und emotional - wie die sozialen Medien Ruhe in die Diskussion bringen
Am stärksten verbreiten sich die Botschaften der Impfgegner über die sozialen Medien. Die virale Stärke der Kampagnen zeigt sich darin, dass zur Gruppe der Impfgegner nur zwei bis fünf Prozent der deutschen Bevölkerung zählen. Das ist nicht viel - aber die Lautstärke und die Emotionalität der Gruppe erweckt den Anschein, dass es sich dabei um eine viel größere Anzahl handelt.
Soziale Netzwerke wie Youtube haben daher beschlossen, künftig keine Werbung mehr vor Videos schalten, die vor Impfungen warnen. Somit können die impfkritische Kanäle kein Geld mehr auf der Videoplattform verdienen oder in Empfehlungslisten auftauchen. "Jede Falschinformation über medizinische Themen ist bedenklich", zitiert die BBC aus einem Statement von YouTube. Offenbar hatten sich bei der Google-Tochter mehrere Unternehmen beschwert, dass ihre Spots vor impfkritische Videos geschaltet wurden.
Ähnlich reagiert haben Facebook und Instagram. Beide Portale haben die Inhalte von Impfgegnern in Newsfeeds und Suchansicht zurückgestuft. Auch Pinterest hat reagiert: Die Bilder-Sharing-Plattform spielt zum gesamten Thema Impfen keine Suchergebnisse mehr aus: egal ob die Informationen von Impfbefürwortern oder -gegnern kommen.