
Leistungsschutzrecht: So reagieren das Netz und die Verbände auf die Pläne
Die Netzgemeinde hatte es vehement umkämpft, nun soll es doch kommen: In ihrem Koalitionstreffen vom Wochenende haben sich die Regierungsparteien darauf geeinigt, das Leistungsschutzrecht für Verlage durchzusetzen und deren Urheberrechte zu stärken. Die Verlegerverbände jubeln, die Blogger wettern.
Die Netzgemeinde hatte es vehement umkämpft, nun soll es doch kommen: In ihrem Koalitionstreffen vom Wochenende haben sich die Regierungsparteien darauf geeinigt, das Leistungsschutzrecht für Verlage durchzusetzen. Das Urheberrecht der Verlage auf ihre News soll damit gestärkt werden. Das Gesetz zielt vornehmlich auf Google: Die Suchmaschine, die mit Google News ein eigenes kommerzielles Produkt anbietet, soll dafür eine Abgabe zahlen, dass sie Material von Verlagen zusammenstellt und zitiert. Das Gesetz - noch muss es vom Bundestag erst einmal gebilligt werden - allerdings könnte es auch professionelle Anbieter anderer elektronischer Pressespiegel und Profi-Blogger treffen. Die private Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material soll weiterhin frei bleiben.
Der VDZ (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger) und der BDZV (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger) begrüßten die Absichtserklärung. Im digitalen Zeitalter sei "ein solches Recht unverzichtbar, um die gemeinsame Leistung von Journalisten und Verlegern wirksam schützen zu können." Das Leistungsschutzrecht sei eine "notwendige Bedingung für den Erhalt einer freien und staatsunabhängig finanzierten privaten Presse im digitalen Zeitalter". Der Deutsche Journalistenverband sperrt sich nicht gegen das Gesetzesvorhaben, mahnt aber an, die Journalisten entsprechend an den erwarteten Mehreinnahmen teilhaben zu lassen: "Das Verteilungsverfahren muss gerecht, transparent und nachvollziehbar sein."
Die Blogger und freie Netzgemeinde sehen das Vorhaben völlig anders als die Verlegerverbände. Stefan Niggemeier kommentiert ironisch in seinem Blog: "Google und womöglich auch die Perlentaucher und turi2s dieses Landes sollen den Verlagen also Geld dafür geben, dass sie helfen, dass deren Inhalte ein Publikum finden." Niggemeier glaubt nicht, dass sich die deutschen Verlage mehr Geld aus dem Säckel von Google erhoffen dürfen, denn in Belgien hatte Google bei ähnlichen Bestrebungen einfach die Verlinkung zu Verlagsprodukten gesperrt.
Peter Turi sieht sein turi2 hingegen nicht gefährdet. Gegenüber W&V-Online gibt er sich gelassen: "Ich halte das Leistungssschutzrecht in seiner jetzigen Fassung für absurd. Ich glaube auch nicht, dass Newsdienste wie turi2 davon betroffen sind: Wir übernehmen ja keine Formulierungen von anderen Medien, sondern setzen unter eine eigenständig formulierte Meldung weiterführende Links. Ich habe noch von keinem Verlag das Verlangen gehört, dass wir dafür bezahlen sollen oder das unterlassen sollen. Andersherum zahlen Verlage ja auch nicht, wenn sie aus Artikeln in Blogs Informationen ziehen oder YouTube-Videos, Twitter-Meldung oder Facebook-Diskussionen auswerten und darauf verlinken."
Im vergangenen Jahr hatten Alpha-Blogger Mario Sixtus und die Inititiative gegen Leistungsschutzrechte (IGEL) einen offenen Brief in Anzeigenform veröffentlicht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, das Leistungsschutzrecht nicht durchzusetzen.
Der Branchenverband Bitkom schlägt sich auf die Seite der Gegner: Er sieht in den Plänen eine "Lex Google", wie es Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder auf der CeBIT formulierte. Google ist ein Bitkom-Mitglied. Google selbst schlägt ebenso kritische Töne an: "Ich befürchte, dass so eine Regulierung die Verbreitung des Internets bremsen könnte, weil sie zu zusätzlichen Kosten und Reibungsverlusten führt", so der ehemalige Chef und heutige Verwaltungsratsvorsitzende des US-Konzerns, Eric Schmidt, gegenüber dpa. Das Internet sei eine wichtige Komponente für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands, daher müsse man mit solchen Änderungen vorsichtig sein, sagte Schmidt auf der CeBIT.
Die Burda-Tochter Tomorrow Focus, die neben Focus Online mit den Portalen nachrichten.de und finanzen100.de selbst News-Aggregatoren betreibt, befürwortet den Koalitionsbeschluss grundsätzlich: "Wir benötigen verlässliche Rahmenbedingungen für unsere journalistischen Produkte, die wir unter hohem finanziellen Risiko erstellen“, sagt Geschäftsführer Oliver Eckert gegenüber W&V Online. Da er den geplanten Gesetzestext noch nicht kenne, könne er den Beschluss jedoch nicht weiter beurteilen. aj/jmk (mit dpa-Material)