Großbritannien:
UK: Überregionale Zeitungen leiden
Weil die Print-Verkäufe und die Werbeeinnahmen in Großbritannien massiv zurückgehen, könnte in Folge der Coronakrise jede zehnte Redakteursstelle verloren gehen, berichtet der Guardian.
Seit Inkrafttreten der Ausgangssperre in Großbritannien und dem damit verbundenen Ausbleiben der Laufkundschaft vor einer Woche haben Tausende unabhängige Presseverkaufsstellen geschlossen. Die Folge für die überregionalen Zeitungstitel: Die verkaufte Print-Auflage ist um bis zu 30 Prozent geschrumpft, wie der Guardian berichtet. Ab dieser Woche wollen auch noch die Supermärkte wegen der geringeren Kundenfrequenz die Zahl der abgenommenen Exemplare reduzieren.
Angesichts des sich abzeichnenden wirtschaftlichen Abschwungs erwartet Rasmus Kleis Nielsen, Direktor des renommierten Reuters Institute der Universität Oxford, zudem einen "massiven Rückgang bei den Werbeeinnahmen" bei den Titeln. Dies wiederum könnte zum Verlust von Hunderten oder sogar Tausenden redaktionellen Arbeitsplätzen führen. Etwa zehn Prozent aller journalistischen Jobs seien gefährdet, so Nielsen.
Zahlreiche Gratistitel wie das Finanzblatt City AM sowie die Magazine Time Out und Stylist haben vergangene Woche bereits ihre Print-Auflage komplett eingestellt, andere wie der Evening Standard die Auflage stark heruntergefahren. Der Lokalzeitungsverlag Newsquest reagierte auf das Aussetzen aller Sportveranstaltungen mit der vorübergehenden Freisetzung zahlreicher Sportjournalisten bis Ende Mai. Sie erhalten in der Zwischenzeit 80 Prozent ihres Gehalts aus dem für diese Zwecke geschaffenen finanziellen Unterstützungsprogramm der Regierung.
Dass derzeit die Briten verstärkt auf Nachrichten-Websites zugreifen, um das gestiegene Informationsbedürfnis zu stillen, könnte schon mittelfristig die Situation der Print-Medien weiter verschlechtern. Denn viele Leser, so die Befürchtung mancher Branchenexperten, könnten während der Ausgangssperre die Gewohnheit verlieren, regelmäßig zu Print-Produkten zu greifen.
Diese Einschätzung teilt auch der Chef des Reuters Institute: "In der nächsten Zeit werden zahlreiche Menschen viel Zeit online verbringen. Und bislang gibt es wenige Beispiele von Leuten, die zu den Offline-Medien zurückkehren, nachdem sie einmal die Online-Medien bereitwillig angenommen haben", so Nielsen gegenüber dem Guardian.