Handelsblatt:
Story hinter der Story: Dölz to go
Mit Marianne Dölz verlässt eine wichtige Frau die Verlagsgruppe Handelsblatt. Das lässt tief blicken – meint W&V-Chefredakteur Jochen Kalka. Hier sein Kommentar.
Jetzt ist sie weg. Doch hinausgeekelt worden, wie viele in der Branche mutmaßen? Marianne Dölz - sie galt als Wunderkind der Vermarktung - hat der Verlagsgruppe Handelsblatt den Rücken gekehrt. Als Geschäftsführerin der Vermarktungseinheit mit dem zauberhaften Namen IQ Media. Leicht hat sie es wohl nie gehabt, als Frau in einem historisch männerdominierten Laden in der Kasernenstraße, vom Image her bislang weniger schillernd, eher ein Patina-belegtes Verlagshaus, das vom schwäbischen Holtzbrinck-Konzern heraus dirigiert wird. Doch klar, das soll sich alles ändern.
Vier Jahre hat sie durchgehalten, die iq-media-Chefin, zog zuletzt von einem skurril geschnittenen Bürozimmer mit viel zu kleinem Fenster – was für eine Metapher –, in dem sich der Männerrauch des Vorgängers festgefressen hatte, in die offizielle Führungsetage des Haupttracks in den obersten Stock. Hier war es hell, sah nach echtem Chefzimmer aus, USM-Möbel und so, Blick über den Innenhof zu Gabor Steingarts Büro, das genau am anderen Ende des Ganges lag. Auch das eine eher zufällige Metapher. Auf den ersten Blick wirkt alles friedlich über den Dächern von Düsseldorf: Laut VHB will sich Dölz "im besten freundschaftlichen Einvernehmen mit dem Gesellschafter und den Verlagskollegen neuen Aufgaben zuwenden". Auch die wirklich warmen Worte von Verleger Dieter von Holtzbrinck lassen nichts Böses erahnen: "Wir lassen Marianne Dölz nur sehr ungern ziehen, danken ihr sehr für ihre großen Erfolge und die immer erfreuliche Zusammenarbeit und wünschen ihr viel Glück und Freude."
Doch was lief da wirklich, hinter den Kulissen des Konzerns? Hatte Frau Dölz nicht Einiges bewegt? Vor Kurzem erst hat sie die so genannte Quality Alliance gegründet, Gattungsmarketing für "FAZ", "SZ" und "Zeit" zusammen mit ihrem "Handelsblatt", das Quality App Package gestartet, die Internet-Vermarktungseinheit iq digital media marketing mit neuen Gesellschaftern neu strukturiert sowie von etlichen Medienmarken das Vermarktungsgeschäft übernommen.
Mag sein, dass dies alles nicht zählt. Denn zeitgleich, so scheint es, wurde Marianne Dölz auch immer wieder entmachtet. Hatte sie nicht einst den Vertrieb verantwortet? Weg ist er. Ist sie nicht Vermarktungs-Chefin aller VHB-Titel? Bis zuletzt? Es heißt, dass sich dies jetzt geändert hätte: Gabor Steingart habe klar signalisiert, dass er als neuer Geschäftsführer die Titel "Handelsblatt" und "Wirtschaftswoche" zukünftig selbst vermarkten wolle. Ob das so ist, werden wir in den nächsten Tagen sehen. Und wenn Herr Steingart etwas wolle, dann zähle das was in der Verlagsgruppe Handelsblatt - heißt es. Denn Steingart stößt bei der Familie Holtzbrinck stets auf große Gegenliebe, da drüben, im beschaulichen Stuttgart, etwas oberhalb der Großbaustelle Stuttgart 21, in der Werastraße 21, wo die Chefschreibtische stehen.
Klar, wo Großbaustellen nicht weit sind, da werden Menschen gebraucht, die einem Perspektiven aufzeigen. Und die zeigt Gabor Steingart auf. Seine neuesten Pläne beweisen es - wie jüngst im großen W&V-Interview angekündigt. Da sprach er von Investitionen im Digitalbereich, der Gründung des Handelsblatt Research Institute, neuen Veranstaltungsformaten sowie Kommunikationsangeboten. Jetzt am Freitag hieß es euphorisch: Die VHB beschleunige ihr Innovationstempo. Und geradezu euphemistisch umschrieb er den Personalabbau von 80 Mitarbeitern, was zehn Prozent des Verlags entspricht. Eine Perspektive zeigt auch Steingarts etwas skurril wirkendes Original-Zitat vom vergangenen Freitag: "Wir verstehen uns nicht mehr nur als klassisches Verlagshaus, sondern als Gemeinschaft zur Verbreitung des wirtschaftlichen Sachverstandes."