Nachtreten auf Facebook?:
"Spiegel"-Krise: Schnibben rechnet öffentlich mit Büchner ab
Büchner und Saffe weichen - und "Spiegel"-Edelfeder Cordt Schnibben rechnet via Facebook mit seinen Chefs ab. Die nächste Eskalationsstufe im unglaublichen "Spiegel"-Theater.
Es war die Nachricht des gestrigen Tages: Chefredakteur Wolfgang Büchner und Geschäftsführer Ove Saffe verlassen nach monatelangem Knatsch den "Spiegel". Ihr Kollege Cordt Schnibben, preisgekrönter "Spiegel"-Reporter und zeitweilig auch Ressortleiter, hat in einem ausführlichen Facebook-Eintrag nun seine Sicht der Dinge beim Hamburger Nachrichtenmagazin dargelegt.
So sei er dank dieser Entscheidung "wieder optimistisch und ein glücklicher, freier Mensch, der wieder gern zur Arbeit fährt. Mit Büchner und Saffe rechnet er gnadenlos ab: "Der Kern einer erfolgreichen Digitalstrategie, liebe Change-Manager, sind starke und ungewöhnliche Geschichten, für die digitale Leser gern Geld zahlen. Darum ist die erste Aufgabe jeder Digitalstrategie, in einer Redaktion – Print wie Online – starke Chefredakteure zu installieren, die eine Redaktion dazu bringen, den bestmöglichen Journalismus ins Heft und auf die Site zu stellen."
Auf Twitter wird nun eifrig diskutiert, ob Schnibbens Posting konstruktiv oder "sinnloses Nachtreten" ist; beim Branchendienst Turi2 ist eine erste Übersicht zu finden. Und auch viel Spott wird laut.
Für @schnibben, @wbuechner, @Brinkbaeumer & Co. hier nochmal das derzeitige Image des "Spiegel" in Cartoon-Form ... pic.twitter.com/guUgCZX2KX
— Peter Bulo Böhling (@DerBulo) December 5, 2014
Fun fact: Der "digitale Scout" Cordt @schnibben glaubt, dass @DerSPIEGEL auf Twitter @Spiegel heißt. pic.twitter.com/9CqPys74b5
— Julian Reichelt (@jreichelt) December 4, 2014
Wenn ich's richtig überschlagen habe, schreibt @schnibben 12 x "Ich" und 1 x "Leser".
— Frank Zimmer (@frankzimmer) December 5, 2014
Sinnlos und beschämend findet das "Nachtreten" zumindest der Journalist Christian Jakubetz, der in einem Kommentar für den Branchendienst Newsroom.de schreibt: "In den meisten Teasern und Überschriften wird Schnibbens Text als ‚Abrechnung" bezeichnet, was ziemlich euphemistisch ist. Tatsächlich hat noch nie in Deutschland ein Chefredakteur einen böseren Fußtritt als Abschiedsgeschenk mitbekommen."
Er ordnet das Stück als "Schnibben-Rant" ein – als Hasstirade einer zutiefst gekränkten Edelfeder. Für eines aber sei dieser Text gut: "Man hat jetzt eine wirkliche Ahnung davon, was sich innerhalb dieser Redaktion aufgestaut haben muss. Da geht es schon lange nicht mehr um fachliche Auseinandersetzung", urteilt Jakubetz. In jeder Zeile Schnibbens spiegele sich wieder, "wie tief am Ende auch die persönlichen Gräben gewesen sein müssen". Auch teilt Christian Jakubetz – wie zuvor etwa Wolfgang Blau - gegen Medienjournalisten aus, die sich im Fall Büchner "instrumentalisieren lassen" hätten. Sein Fazit: "Die ‚Spiegel‘-Oper war eine öffentliche Aufführung." Allerdings auch eine, aus der der "Medienjornalismus als der eigentliche und sehr peinliche Verlierer" hervorging, wie "Guardian"-Digitalstratege Blau bei Twitter schrieb.
Nochmals die Fakten: Chefredakteur Wolfgang Büchner und Geschäftsführer Ove Saffe verlassen den "Spiegel". Bis auf Weiteres sollen die beiden Vize-Chefs, Klaus Brinkbäumer und Clemens Höges, die Chefredaktion des Nachrichtenmagazins übernehmen. Wie und in welcher Konstellation am Ende die Führungsspitze tatsächlich aussieht, ist demnach noch offen.