Betrugsfall Claas Relotius:
Spiegel deckt Fälscher in den eigenen Reihen auf
Der preisgekrönte Spiegel-Redakteur Claas Relotius hat wiederholt eigene Geschichten manipuliert, berichtet das Nachrichtenmagazin über den Reporter, von dem sich der Verlag umgehend getrennt hat.
Der Spiegel hat Unangenehmes in eigener Sache zu verkünden: "Manipulation durch Reporter – Spiegel legt Betrugsfall im eigenen Haus offen" lautet die Headline eines Beitrags, der am Mittwochnachmittag online Peinliches enthüllt.
Spiegel-Redakteur Claas Relotius hat demnach eingestanden, in mehreren Artikeln über Jahre hinweg "Geschichten erfunden oder Fakten verzerrt zu haben". Die Redaktion hat durch interne Hinweise und Recherchen den Betrugsfall nachträglich aufgedeckt - und sich umgehend von dem Mitarbeiter getrennt.
Der 33-jährige Redakteur, seit 2014 beim Nachrichtenmagazin und im Ressort Gesellschaft im Einsatz, habe ein umfassendes Geständnis abgelegt, heißt es. Er habe "mit Vorsatz, methodisch und hoher krimineller Energie" getäuscht, verkündet das renommierte Medienhaus in eigener Sache.
Wie das Ganze aufgedeckt wurde
Prekär: Geschildert wird, dass Co-Autor Juan Moreno wiederholt auf Unstimmigkeiten in "Recherchen" von Claas Relotius hingewiesen habe. Ihm wurde aber nicht geglaubt. Erst eine E-Mail vom 3. Dezember von einer Mitarbeiterin einer Bürgerwehr in Arizona, die sich nach einem vorangegangenen Relotius-Bericht von der Grenze zu Mexiko und der Arbeit der Bürgerwehr erkundigte, hat das Treiben des Spiegel-Reporters aufgedeckt.
Und das wenige Stunden bevor der Journalist, der vor seiner Zeit beim Spiegel unter anderem auch für Cicero, taz, Welt oder FAS geschrieben hatte, ein weiteres Mal einen Preis erhalten sollte. Zu den ausgezeichneten Stücken zählen dem Spiegel-Protokoll zufolge auch einige der nun untersuchten "Fake"-Stücke.
Der Spiegel will nun mithilfe einer "Kommission aus erfahrenen internen und externen Personen" aufdecken, wie es dazu kommen konnte, dass die Spiegel-Dokumentation die Manipulationen des "CNN Journalist of the Year 2014" übersehen hat.
Wie die Branche reagiert
Schockiert. Das Gremium vom Reporterkreis zeigt sich "entsetzt und wütend über die geradezu kriminelle Energie, mit der Claas Relotius auch uns getäuscht hat". Die Organisatoren des Deutschen Reporterpreises wollen nun zeitnah beraten, wie in diesem Fall zu verfahren sei und ob dem Journalisten seine vier Reporterpreise aberkannt werden.
Die Jury des Ulrich Wickert Preises entzieht dem unter Betrugsverdacht stehenden Spiegel-Redakteur schon einmal sofort den Peter Scholl-Latour Preis 2018. Prämiert wurde Relotius für seine Reportage "Löwenjungen", die zum Teil gefälscht gewesen sei.
Der Deutsche Journalisten-Verband rügt harsch: "Der vermeintliche Reporter hat nicht nur dem Spiegel großen Schaden zugefügt, sondern die Glaubwürdigkeit des Journalismus in den Dreck gezogen", so der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Dem Journalisten habe offensichtlich jegliches Verantwortungsgefühl für sein Blatt und die Leser gefehlt.
Ähnlich urteilt der Journalistenverband bei Verdi:
Doch es gibt auch Anerkennung dafür, dass der Spiegel die Vorgänge schonungslos in eigener Sache kommuniziert.
Übrigens: Claas Relotius hat sich inzwischen per SMS beim Reporter-Forum entschuldigt und seine vier Reporterpreise zurückgegeben. Den vierten hatte er erst im Dezember erhalten.