MABB prüft:
Grauzone der Werbung: Ströer Social Publishing wird Präzedenzfall
Vorwurf der Schleichwerbung bei Ströer Social Publishing: Wurden bezahlte Facebook-Links für Medieninhalte nicht gekennzeichnet? Die MABB prüft - und schafft wohl Klarheit in einer Grauzone.
Fürs Social Publishing könnten die Spielregeln klarer definiert werden, ein Präzedenzfall zeichnet sich ab. Anlass sind Vorwürfe gegenüber einer Ströer-Tochter. Wie das Medienportal Buzzfeed aufgedeckt hat, soll Ströer Social Publishing auf rund 60 seiner Facebook-Seiten bezahlte Inhalte von "Kunden" aus dem Medienbereich ohne Werbekennzeichnung geteilt haben. Auch soll das Unternehmen dem Bericht zufolge Facebook-Gruppen mit vielen Fans akquiriert oder gekauft haben, um möglichst hohe Reichweiten zu erzielen - Clickbaiting.
Der Verdacht auf Schleichwerbung steht nun im Raum – dem die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) nachgeht. Auf Anfrage bestätigt der stellvertretende MABB-Direktor Marco Holtz, dass ein Prüfverfahren gegen die Ströer-Tochter eingeleitet worden ist. Die Medienwächter würden in der Sache ermitteln, betont der Jurist.
In einem ersten Schritt wird Ströer Social Publishing von der Berliner Landesmedienanstalt um eine Stellungnahme gebeten. Danach wird das weitere Vorgehen bei der Behörde beschlossen; ein mögliches Verfahren und eine Entscheidung dürften sich erfahrungsgemäß über Monate hinziehen.
Was sagt Ströer zu den Vorwürfen? Sprecher Marc Sausen äußert sich offiziell nicht. Die Kölner verweisen auf die laufenden Prüfungen.
Social Publishing unter der Lupe der MABB
Die Medienanstalten stufen die kritisierten redaktionellen Links von Ströer-Facebook-Seiten wie Unnützes Wissen, Tier-Fans, Fußball-Fieber oder Rätsel des Tages auf Webseiten von Bild, Bunte oder Spiegels Bento als Influencer Marketing ein. Hier sind MABB und Co in den vergangenen Jahren wiederholt vor allem bei YouTubern tätig geworden, die gegen die Kennzeichnungspflicht ihrer werbefinanzierten Inhalte verstoßen hatten. Vorgänge im Bereich Social Publishing – also das Platzieren nativer zielgruppengerechter Werbemittel vor allem auf Facebook, hinter denen auch umfangreichere Content-Marketing-Deals stecken können – sind indes im großen Stil bei den Medienwächtern noch nicht durchleuchtet worden.
Das dürfte sich nun ändern. Auch ist die Fallhöhe beachtlich: Ströer Social Publishing stellt Kunden auf der Firmenwebsite in Aussicht, mit "viralen Facebook-Posts" rund 50 Millionen Nutzer "durch hochwertigen kreativen Content und hohe Interaktionsraten" zu erreichen.
Klar ist: Rechtlich bewegt sich die Ströer-Gruppe in einer Grauzone. Gerade bei Kunden aus dem Medienbereich dürfte sich das ein oder andere Gegengeschäft unter den verlinkten Lesetipps finden. Immerhin ist auch das noch junge Portal Watson.de aus dem Hause Ströer auf der Suche nach Usern. Ein Link für Bento bei Unnützes Wissen auf Facebook, im Gegenzug ein Post für Watson.de im Bento-Reich - ein nicht unüblicher Deal im Medienbereich. Bei dem kein Geld fließen muss. Ströer Social Publishing hat übrigens auch zum Start von Watson.de eine Kampagne auf Facebook umgesetzt, mit "hohem Unterhaltungswert" und zur Bekanntmachung des Portals.
Was die Medienaufsicht klären muss
Wo hört Gegengeschäft auf, wo fängt bezahlte Werbung an? Platziert Ströer gegen Cash auf seinen Facebook-Seiten passende Inhalte, um damit Nutzer auf die Website seiner Kunden zu locken? Wann steckt wirklich ein Reklamedeal dahinter, der für den User kenntlich gemacht werden muss?
Diese Fragen wird sich das Team der MABB in den kommenden Wochen stellen. Und vielleicht einmal mehr mit klar definierten Abgrenzungen Präzision ins Werbegeschäft auf sozialen Netzwerken bringen.
Das Clickbaiting, die Klickfängerei, die Buzzfeed bei Ströer Social Publishing ausgemacht haben will, steht auf einem anderen Blatt. Werden Nutzer mit reißerischen Headlines oder Themen zum Klicken gebracht und damit zu mageren Inhalten gelotst, dann leidet die Glaubwürdigkeit der Marken. Die User sind verschnupft, im Fall von nativen bezahlten Inhalten ist der Werbekunde vergrätzt - und solange das Ganze als Werbung gekennzeichnet ist, hat nur Ströer den Ärger.
Mit frustrierten Lesern, die sich dem Trash im Netz nicht mehr aussetzen wollen, dürfte auch Buzzfeed Erfahrung gesammelt haben.