VDZ-Jahrespressekonferenz :
Corona: Werbeeinnahmen brechen bis zu 80 Prozent ein
Die Pandemie bestimmt die aktuelle Bilanz der Zeitschriftenverleger: Anzeigen- und Vertriebserlöse bröckeln weg. Der Verband fordert die Politik auf, die Situation für die Verlage nicht weiter zu verschlimmern.
Diesmal lief die Jahrespressekonferenz des Verbands der Zeitschriftenverleger (VDZ) deutlich anders als sonst. Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer und Antje Jungmann, Leiterin der Kommunikation, begrüßten die Teilnehmer live aus dem Web-TV-Studio der Bundespressekonferenz. VDZ-Präsident Rudolf Thiemann und die Vizepräsidenten Philipp Welte und Klaus Krammer wurde via Skype live zugeschaltet. Der Grund, natürlich: Corona.
Und so drehte sich auch der größte Teil der Bilanz-PK um die Auswirkungen der Pandemie auf die Branche. Dabei sah Anfang März noch alles ganz gut aus, so Scherzer. Bis die Krise über die Welt hereinbrach – "und in nur einem Monat hat sich alles gedreht." Und zu einem "nie dagewesenen Stresstest" geführt.
Die Fachpresse trifft es hart
Zwar ist die Nachfrage des Publikums nach verlässlichen Informationen kräftig gestiegen. Das ändere aber nichts daran, "dass die Zeitschriftenverlage vor der bislang schwersten Prüfung in ihrer Historie stehen." Die Werbeeinnahmen sind, je nach Sektor, zwischen 20 und bis in der Spitze über 80 Prozent eingebrochen; das trifft besonders die anzeigenfinanzierte Fachpresse in bestimmten Industriebereichen.
Auch der Vertrieb leidet. Verkaufsstellen an Flughäfen und Bahnhöfen verlieren teilweise über 50 Prozent der Verkäufe, was insbesondere Special-Interest-Titel hart trifft. Im Einzelverkauf sind derzeit rund acht Prozent der Verkaufsstellen geschlossen. Immerhin: Im Einzelhandel ist die Nachfrage nach Zeitschriften aktuell noch annähernd stabil. Vor allem Programm-Titel, Rätsel-, Frauen- und Entertainment-Magazine erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit. Zwar stieg auch die Nachfrage nach digitalen Angeboten deutlich – sie kann aber die Rückgänge bei weitem nicht auffangen.
Die Trendfrage des VDZ ergab daher auch, dass in der aktuellen Situation viele Zeitschriftenverlage auf Kurzarbeit setzen. Danach erwägt die Hälfte der Verlage, Kurzarbeit in einzelnen Unternehmensbereichen und weitere 33 Prozent im gesamten Unternehmen einzusetzen. 17 Prozent der Befragten haben es bislang nicht vor.
Angesichts der Situation sei es umso wichtiger, dass der Staat die für alle Verlage maßgeblichen Rahmenbedingungen so ausgestalte, dass die gesamte Presse, Zeitschriften und Zeitungen weiterhin unabhängig publiziert und auskömmlich finanziert werden können. Das betreffe insbesondere die Themen steigende Zustellungskosten oder die drohende E-Privacy-Verordnung, die auch schon vor Corona existenzielle Gefahren bergen würden. Mit der Krise habe sich die Situation massiv verschärft.
Staatliche Unterstützung für die Zustellung
Hier sei der Gesetzgeber gefordert, sagt VDZ-Präsident Thiemann: "Wenn die Bundesregierung derzeit überlegt, wie die vom Bundestag für 2020 bewilligten 40 Millionen Euro der Infrastrukturförderung ausgegeben werden sollen, müssen die Weichen ordnungspolitisch richtig gestellt werden." Die private Zustellung müsse unabhängig davon gefördert werden, ob Zeitungen oder Zeitschriften zugestellt werden. "Wir brauchen den nachdrücklichen Beistand des Staates bei strukturellen Existenzfragen zur Sicherung fairer und dauerhaft finanzierbarer Marktbedingungen."
Weitere Preissteigerungen, die einen Teuerungsausgleich übersteigen, seien für die Verlage nicht mehr verkraftbar, warnt auch Philipp Welte. Es sei möglich, dass das nur mit einer staatlichen Unterstützung der Postzustellung zu lösen sei:"„Diese diskriminierungsfreie Unterstützung für Zeitschriften und Zeitungen gab es schon einmal, bevor die Post privatisiert wurde. Sie bedeutet auch heute keine Gefahr für die Pressefreiheit, weil sie allen Titeln und Gattungen unterschiedslos zugutekommt."
Vier Punkte für die Politik
Um eine wirtschaftlich gesicherte Zukunft der Zeitschriftenbranche für die nächsten Jahre zu gewährleisten, mahnt der VDZ ein Belastungs-Moratorium an. "Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung und das Parlament in dieser Krise weitere Belastungen für das digitale oder klassische Verlagsgeschäft unterstützten oder gar vorantreiben", so Scherzer. Als Beispiele nennt er folgende Punkte:
- Die E-Privacy-Verordnung: Sie bedrohe die digitale Werbung der Verlagswebsites und die Werbung digitaler Abonnenten sowie das Telefondirektmarketing, das für den Erhalt des Abo-Stamms von Zeitschriften und Zeitungen von herausragender Bedeutung sei. Auch ein kurzfristig geplantes nationales Datenschutzgesetz dürfe keinesfalls die digitalen Verlagsangebote beeinträchtigen.
- Der Vorschlag für ein gesetzliches Verbot längerer Abolaufzeiten: Die bestehenden Möglichkeiten der Gestaltung von Abonnementlaufzeiten seien vielfaltsfördernd. Auch deswegen dürfe das Telefonmarketing nicht noch weiter beschränkt werden. Es sei ein unverzichtbarer Vertriebsweg für Zeitschriften und Zeitungen.
- Das EU-Presseverlegerrecht: Es müsse effektiv umgesetzt werden, zudem soll die Verlegerbeteiligung zügig wieder eingeführt werden.
- Der Entwurf der GWB-Novelle: Er müsse verbessert werden, um einen diskriminierungsfreien, fairen und ungehinderten Zugang aller Angebote zu digitalen Monopolplattformen effektiv sicherstellen zu können.
Der Rückblick auf die Geschäftsentwicklung der Verlage im Jahres 2019 mutet da fast schon nostalgisch an. Die 5537 Fach- und 1569 Publikumstitel erwirtschafteten 2019 einen leicht rückläufigen Branchenumsatz von 20,2 Milliarden Euro (2018: 20,6 Milliarden Euro). Der in einzelnen Segmenten erhebliche Umsatzrückgang im Werbegeschäft konnte zum Teil durch Zuwächse in den sonstigen Geschäftsfeldern ausgeglichen werden.
Transaktionsplattformen legen zu
Die wie schon 2018 von der Schickler Unternehmensberatung ermittelten Umsatzerlöse der VDZ-Mitgliedsverlage in den Bereichen Bildung, Veranstaltungen, Software und Services, Stellen-Plattformen und Transaktionsplattformen betrugen 2019 rund 4,1 Milliarden Euro (2018: 3,95 Milliarden Euro).
Den weitaus größten Anteil steuerten mit 2,3 Milliarden Euro die Transaktionsplattformen bei. Sie umfassen Erlöse aus dem E-Commerce, aus Vergleichsportalen und Online-Rubriken-Märkten. Über den Bereich Bildung wurden Umsätze in Höhe von 332 Millionen Euro, über Veranstaltungen 246 Millionen, über Software & Services 425 Millionen und über Stellen-Plattformen 773 Millionen Euro erzielt. Sie schafften mit plus 9,1 Prozent auch den höchsten Zuwachs.
Wie die Bilanz im kommenden Jahr ausfallen wird, ist derzeit noch völlig offen – auch, da keinerlei Einschätzungen über den weiteren Verlauf der Krise machbar sind. Eines steht jedoch schon fest: Den traditionellen Publishers' Summit und die Publishers' Night im November wird es in diesem Jahr nicht geben.