Coronavirus:
Home oder Office? Firmen im Corona-Dilemma
Wie viel Gemeinschaft braucht es im New Normal? Während L'Oréal die Mitarbeiter gerade gegen ihren Willen in die Büros zurückordert, sehen das Google und Facebook lockerer. Auch deutsche Firmen denken um.
Selbst ein Großkonzern wie Siemens steuert um. Siemens, lange Jahre Inbegriff eines schwer beweglichen Dickschiffs der deutschen Wirtschaft, verkündete, dass mobiles Arbeiten dauerhaft zum "Kernelement der neuen Normalität" gehören wird. Weltweit sollen die Mitarbeiter zwei bis drei Tage pro Woche außerhalb des Büros ihren Aufgaben nachgehen. Das entspräche nicht zuletzt ihren Wünschen nach mehr Flexibilität und individuellen Lösungen, so der Konzern.
Für den Kosmetikriesen L'Oréal zählen offensichtlich die Wünsche der Mitarbeiter weniger, wie Insiderberichte nahelegen. In den USA fordert das Unternehmen dieser Tage die Belegschaft auf, in die Büros zurückzukehren - zwar mit einem Schichtsystem und Abstand, aber doch flächendeckend für alle knapp 11.000 Beschäftigten. Das Argument, man säße dort genauso vereinzelt wie am heimischen Schreibtisch (nur mit viel Aufwand zum Pendeln), zählt anscheinend nicht. Wer aus gesundheitlichen Gründen eine Ausnahme wünscht, kann das beantragen, aber es ist kompliziert.
Zwei Beispiele, wie sich die Arbeitgeber das Arbeiten nach beziehungsweise mit Corona vorstellen. Die zwei gegensätzliche Haltungen widerspiegeln. Vertrauen, Transparenz, Mitbestimmung vs. Anwesenheitspflicht und Kontrolle.
Dass die alten Vorstellungen bröckeln, beweisen jedoch neueste Umfragen in der deutschen Industrie. Selbst im verarbeitenden Gewerbe hat sich mobiles Arbeiten bewährt. Hier sind rund 50 Prozent der Beschäftigten zu Hause, so eine Auswertung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Langfristig peilen die Arbeitgeber hier 37 Prozent an. "Aufgrund der neuen Erfahrungen und Erkenntnisse planen viele Unternehmen, Homeoffice auch nach der Krise intensiver zu nutzen als vor dem Beginn der Corona-Pandemie", sagte ZEW-Experte Daniel Erdsiek.
Noch stärker als in der Industrie sind die Veränderungen in der Informationswirtschaft, die die IKT-Branche, Mediendienstleister und wissensintensive Dienstleister umfasst. "Schon vor der Krise setzte etwa jedes zweite Unternehmen in der Informationswirtschaft Home Office ein, da sich hier deutlich mehr Tätigkeiten für das ortsflexible Arbeiten eignen", erläuterte Erdsiek. Fast zwei Drittel der Firmen planten nun, auch nach der Krise Homeoffice zu nutzen.
Effizienter als gedacht
Als positiver Verstärker wirkt auch die Erfahrung, dass weniger Tätigkeiten als bislang angenommen im Büro erledigt werden müssen. Vor allem in größeren Unternehmen hat der Hang zum Homeoffice zugenommen, selbst wenn dafür in neue Technologien investiert werden muss. Das ist in jedem dritten Unternehmen notwendig. Und in den Betrieben, in denen nicht mehr Kollegen remote arbeiten können, tun es diejenigen, die keine Probleme haben, in Zukunft öfter. Kurz: Homeoffice wird intensiver genutzt.
Dass damit noch ganz andere Konsequenzen verbunden sein können, zeigt sich in den USA besonders deutlich. Dort ist nicht nur der Arbeitsmarkt flexibler, sondern auch die Angestellten der großen Tech-Konzerne. Um Kosten für die Miete zu sparen, ziehen sie ins günstigere Umland. Facebook und Slack kündigten bereits an, die Gehälter zu kürzen, da diese sich nach den Lebenshaltungskosten bemessen. Google war als einer der ersten vorgeprescht und hatte die Homeoffice-Regelungen bis Sommer 2021 verlängert. Aber auch bei den anderen Tech-Konzernen - inklusive Apple und Amazon - wird es ähnlich gehandhabt.
Die Dax-Konzerne berichten ebenfalls von den positiven Erfahrungen des Homeoffice. Ihrer Meinung nach gehört die Zukunft den hybriden Arbeitsmodellen. Mit weniger Büroraum. Die Pläne dazu liegen schon in den Schubladen.
Neue W&V Serie: Home oder Office?
Wie rüsten sich die Unternehmen für das New Normal und welche Zwischenbilanz ziehen sie? Das wollen wir in unserer neuen Serie "Home oder Office?" beleuchten, die demnächst startet.
Hier geht es zu Teil 1 der Serie: Otto Group
1. Wie hat sich der Anteil der Mitarbeiter im Homeoffice seit Beginn der Coronakrise geändert?
2. Wann planen Sie eine Rückkehr in die Büros? In welchem Umfang?
3. Verändern Sie jetzt die bisherigen Vereinbarungen zum Thema Homeoffice?
4. Wie sind Ihre Mitarbeiter fürs Homeoffice technisch gerüstet und müssen Sie da evtl. nachjustieren?
5. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie beim Thema Homeoffice für Ihr Unternehmen? Wo hat es gut geklappt, wo lagen Schwierigkeiten?
6. An welchen Stellen sehen Sie Verbesserungspotenzial?
7. Was heißt das für Ihr Gebäudemanagement? Brauchen Sie mehr/weniger Raum? Oder anders gestaltete Flächen?