Visuelles Storytelling:
DAX-Konzerne arbeiten oft mit Klischees
Sie sehen sich Diversität sowie der Gleichberechtigung verpflichtet: die DAX-Konzerne. Nicht so bei der Bildsprache auf den Karriereseiten. Dort werden Klischees bedient, zeigt eine Studie von Mashup Communications.
Die 30 DAX-Unternehmen präsentieren sich als international agierende Konzeren, die Diversität und Gleichberechtigung in Wort und Schrift als Selbstverständlichkeit kommunizieren. Wenn es aber um die visuelle Darstellung dieser Werte geht, so besteht noch reichlich Optimierungsbedarf. Von einer Gleichberechtigung und genderneutralen Bildsprache sind sie zum Teil noch weit entfernt. So das zentrale Ergebnis des Visuellen Storytelling Reports der PR-Agentur Mashup Communications.
Sie hat die Karriereseiten der Unternehmen unter die Lupe genommen: Spielen hier Geschlechterrollen, Alter oder Schönheitsideale eine Rolle? Wer nimmt Führungspositionen ein? Wo wird gearbeitet und wer genießt die Work-Life- Balance? Der Report analysiert, wie Führungskräfte
und Professionals, BerufseinsteigerInnen und Trainees, Studierende, Auszubildende und PraktikantInnen auf den Jobseiten der Großkonzerne Deutschlands dargestellt werden.
Es sind schließlich Bilder, die den potentiellen BewerberInnen als erste Projektionsfläche dienen. Sie zeichnen den BetrachterInnen dabei unbewusst nicht nur eine Vorstellung davon, wie Auszubildende im Betrieb arbeiten oder welche Merkmale ManagerInnen haben sollten. Sie
zeigen jungen Frauen, welche berufliche Laufbahn für sie bestimmt zu sein scheint. Sie zeigen Menschen, die aus anderen Ländern kommen, welche Möglichkeiten sie zu haben scheinen. Sie zeigen auch, welche Vorteile Männer noch immer in der Wirtschaft und damit auch in der Arbeitswelt haben. Es sind Bilder, die in ihrer Aussagekraft nicht weniger als die Frage beantworten, wie gleichberechtigt unsere Gesellschaft ist.
Nicht zu alt und nicht zu dick
Nimmt man die Bilder als Orientierung, so ist zunächst eine eindeutige Mehrheit von 95 Prozent der Mitarbeitenden schlank. Nicht einmal 100 von den fast 2000 untersuchten Personen sind nicht schlank. Ebenfalls deutlich werden die Zahlen in der Kategorie Alter. Fast dreiviertel aller DAX-30-Mitarbeitenden sind den Visualisierungen der Webseiten zur Folge nach unter 35 Jahren alt. Nur weniger als fünf Prozent aller Personen wurden zur Kategorie der über 50-Jährigen gezählt. Dabei werden Frauen durchschnittlich noch jünger gezeigt. Knapp 80 Prozent von ihnen gehören zu den Kategorien unter 35 Jahren, bei den dargestellten Männern sind hingegen nur zwei Drittel in diesem Altersabschnitt. Die Frage: Haben die Männer und Frauen, die sich bei der Form des virtuellen Kennenlernens in ihren KollegInnen bereits wiedererkennen und zugehörig fühlen, einen Vorteil? Wie gleichberechtigt ist ein Bewerbungsprozess noch, sind die Darstellungen der zukünftigen KollegInnen nur für die repräsentativ, die jung und sportlich sind? Dabei sind die Themen der Inklusion und Diversität sogar bislang vernachlässigt. Fast 80 Prozent der dargestellten Personen sind weiß. Das Bild einer Person mit Behinderung oder körperlichen Beeinträchtigungen ist auf keiner der untersuchten Karriereseiten zu sehen.
Nach wie vor männlich: die starken Macher
Nach wie vor gilt der AAA-Ansatz bei der Darstellung von MitarbeiterInnen: sie werden als aktiv, allein und arbeitend dargestellt. Insgesamt sind rund 61 Prozent der AAA-Kandidaen männlich, nur 39 Prozent weiblich. Umso brisanter: Die Werte klaffen mit steigender Position weiter auseinander. So sind bei den PraktikantInnen noch rund 44 Prozent der aktiv und allein Arbeitenden weiblich, bei den Studierenden
42 Prozent, bei den BerufseinsteigerInnen nur noch 40 Prozent. Am deutlichsten lässt sich der Missstand jedoch bei den dargestellten Personen mit hoher Position im Unternehmen erkennen. Nur noch ein Drittel der selbstbestimmt agierenden Mitarbeitenden in Management-Position sind weiblich. Die Interpretation der AAA-Darstellung als Person mit hoher Kompetenz und Entscheidungsgewalt scheint sich auch durch
die Verteilung auf die Positionen zu bestätigen. So lassen sich insgesamt 217 Personen auf den Karriereseiten der DAX 30 aktiv, arbeitend und allein finden, wobei fast die Hälfte dieser Personen zur Gruppe der Professionals und ManagerInnen gehört. Die entscheidende Frage lautet nicht: "Wie häufig werden Frauen auf Karriereseiten gezeigt?", sondern "Wie werden Frauen auf Karriereseiten gezeigt?". Bekommen sie lediglich etwas erklärt oder erklären sie? Zeigen sie sich häufiger in einer sozialen Gruppe als allein am Schreibtisch? Stehen sie lachend im Park oder mit Schutzbrille im Labor? Das AAA-Problem zeigt: Noch immer haben die DAX 30 in ihrer Bildsprache Geschlechterrollen verankert, die Frauen weniger selbstbestimmt handelnd zeigen
Professionals und ManagerInnen sind meist männlich
Mit fast 600 Gesichtern ist die Gruppe der Professionals und ManagerInnen die Kategorie, die auf den Karriereseiten am stärksten visualisiert ist – den EntscheidungsträgerInnen wird eine wichtige Bedeutung beigemessen. Ähnlich wie in der Gesamtverteilung ist ein Großteil von 90 Prozent schlank. Umso interessanter aber, wie sich die Gruppe der GroßverdienerInnen vom Rest der Positionen unterscheidet: Liegt der Anteil der BiPoC und als asiatisch gelesenen Personen insgesamt bei knapp 22 Prozent, klettert er bei den ManagerInnen auf fast 30 Prozent. Hier ist Expertise also auch vermehrt von Menschen willkommen, die nicht weiß sind. Weiter fällt auf: Ist die Verteilung zwischen Männern und Frauen in allen anderen Kategorien fast ausgeglichen, ist bei den Professionals und ManagerInnen die Mehrheit mit knapp 60 Prozent männlich. Vergleicht man nun zwischen weiblichen und männlichen ManagerInnen, offenbart sich ein weiterer Unterschied. So sind die dargestellten Managerinnen mehrheitlich jünger als ihre männlichen Kollegen. Während knapp 40 Prozent der männlichen Führungskräfte zwischen 20 und 35 und fast 50 Prozent zwischen 35 und 50 Jahre alt sind, werden weibliche Professionals zu knapp 60 Prozent zwischen 20 und 35 und nur rund ein Drittel zwischen 35 und 50 Jahren dargestellt.
Weibliche BerufseinsteigerInnen lächeln gerne
Berufserfahrene vorwiegend männlich dargestellt werden, zeigen sich die niedrigeren Positionen ausgeglichener, was die Geschlechterverteilung angeht: So sind die dargestellten Trainees, AbsolventInnen und angehenden Professionals auf den Karriereseiten der DAX 30 nur noch zu rund
51 Prozent männlich. Die Tendenzen der Professionals bleiben aber weiterhin bestehen: Weibliche Berufseinsteigerinnenwerden tendenziell häufiger passiv und lächelnd dargestellt, während Männer verstärkt bei der Arbeit gezeigt werden. Unterden EinsteigerInnen werden 60 Prozent männliche und nur 40 Prozent weibliche Personen in aktiver Rolle gezeigt. Insgesamt zeigt sich die Berufsgruppe vorwiegend in Teams, motiviert und gut gelaunt bei der Arbeit. Vielfalt ist hier jedoch vergeblich zu finden: So sind auch hier drei Viertel der Mitarbeitenden weiß und sogar 95 Prozent schlank.
Klischeebilder für Studierende und Azubis
Die Auswertung lässt vermuten: Auszubildende kommen eher aus Deutschland, Studierende sind hingegen stärker auch aus anderen Ländern willkommen. So ist der Anteil der People of Color und Personen mit asiatischem Aussehen bei den Studierenden rund sechs Prozent höher als bei ihren KollegInnen in der Ausbildung. Das klingt nach einem marginalen Unterschied, bedeutet aber übersetzt, dass bei den Studierenden ca. 20 Frauen und Männer mehr gezeigt werden, die nicht weiß sind, als bei den Auszubildenden. Dass die Auszubildenden der DAX 30 häufiger allein und weniger lächelnd dargestellt werden, unterstreicht auch die Deutung der Ergebnisse in den Kriterien Aktivität und Aktion. In ihrer Gesamtheit bestimmen sie die zwei sehr unterschiedlichen Bilder von Ausbildung und Studium bei den DAX 30. Auszubildende werden fast zehn Prozent häufiger aktiv und mehr als 15 Prozent häufiger in einer Arbeitsumgebung gezeigt als ihre KollegInnen, die sich für ein Studium entschieden haben. Mehr als die Hälfte der Studierenden wird indes in Situationen gezeigt, in denen sie nicht arbeiten. Das Klischee der harten Lehrjahre, in denen die Auszubildenden praktische Arbeit verrichten, bleibt im Gegensatz zum Klischee der Studierenden, die lachend im Park die Zeit ihres
Lebens verbringen, zumindest visuell bestehen.