Medien-Startups:
So werfen Regionalzeitungen Geld und Grips zusammen
Wie Nordwest-Zeitung, Heilbronner Stimme und andere Regionalverlage bei strategischen Internet-Investments kooperieren, um die digitale Transformation gemeinsam zu stemmen.
Verlage sind Zusammenarbeit nicht gewohnt. Doch ein paar regionale Zeitungsverlage haben erkannt, dass Einzelgängertum sie bei der Digitalisierung nicht weiterbringt. "Wenn wir die Kräfte der Branche nutzen und unseren Grips zusammenwerfen, hat jeder Verlag die Chance die digitale Transformation erfolgreich zu betreiben," sagt Madsack-Manager Thomas Düffert beim Kongress Zeitung Digital in Berlin. Das gilt vor allem für kleinere Verlage, die anders als Axel Springer alleine nicht die Kraft haben, viele Millionen Euro in digitale Zukäufe und Übernahmen zu stecken.
Nur in der Gruppe als Investor relevant
Während manche Verlage noch Geld in eher aktionistische Einzelprojekte stecken, machen die Nordwest-Zeitung mit ihrem Investmentarm NWZ Digital und andere regionale Häuser vor, wie auch kleinere Verlage bei digitalen Investitionen strategisch und systematisch zusammenarbeiten können. So haben beispielsweise Badische Zeitung, Heilbronner Stimme und die Verlagsgruppe Rhein-Main Geld und Knowhow bei der Media + More Venture (MMV) zusammengeworfen, um gemeinsam in digitale Geschäftsideen zu investieren, die das Kerngeschäft der Verlage sinnvoll ergänzen können. "Nur in der Gruppe sind wir ein national relevanter Investor", sagt Ludwig Ederle, der bei der verlagseigenen Investmenttochter der Heilbronner Stimme - MMS Service - die Startup- Investitionen verantwortet. Die Gemeinschaftsfirma der Verlage - MMV - hat seit ihrer Gründung 2013 Geld in fünf digitale Unternehmen gesteckt. Die Mindestsumme pro Investment beträgt 300.000 Euro, die Verlage teilen das Risiko.
Tracking-Technologie für Verlage
Zu den jüngsten Investments zählt beispielsweise das Startup Roq Ad. Die Berliner Gründer haben eine Technologie entwickelt, mit der Verlage Nutzerdaten über alle Endgeräte hinweg erheben können. Sie gewinnen mit der Roq Ad-Technologie nun bessere Erkenntnisse über das Nutzungsverhalten ihrer Leser und können auf Basis dieses Wissens auch die Werbekampagnen besser aussteuern - über alle Geräte hinweg, die ein Leser nutzt.
Neben der Augsburger Allgemeine mit ihrem Investment-Arm PDV Intermedia Venture hat sich - seit Dezember 2016 - auch die Nordwest Zeitung an Roq Ad beteiligt. Deren Investment-Arm NWZ Digital hat über die letzten zehn Jahre hinweg insgesamt eine niedrige zweistellige Millionensumme in digitale Startups gesteckt, sowie in zwei Beteiligungen an den von DuMont aufgelegten Capnamic-Fonds. Aktuell steuert Marc Del Din, Geschäftsführer von NWZ Digital, 15 strategische Beteiligungen und die beiden Fonds-Beteiligungen. Eines verbindet alle Investments: "Es sind immer Geschäftsmodelle, die sich in der Nähe des Kerngeschäftes eines Verlages bewegen", sagt Del Din.
Co-Investments in Roboterjournalismus
Je weiter ein Startup vom Kerngeschäft des Verlags entfernt ist, desto wichtiger wird es für Del Din, mit einem Verkauf der Anteile nach drei bis fünf Jahren Geld zu verdienen. Das ist der Nordwest Zeitung beispielsweise mit dem Käuferportal gelungen - einer digitalen Einkaufsberatung für komplexe Produkte. Dort hatte der Verlag 2009 investiert. Das Käuferportal wurde 2016 an den Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 verkauft. Obwohl die NWZ an dem Portal nur wenige Prozente besaß, sei der Verkauf für den Verlag "sehr erfolgreich" gewesen, sagt Del Din.
Eine siebenstellige Summe investiert der NWZ Digital-Manager insgesamt pro Jahr in zwei bis drei Startups. Manchmal sammelt NWZ Digital andere Verlage mit ein, prüft und verhandelt für sie als Lead-Investor. Voraussetzung sei, dass die digitalen Unternehmen "die Kinderkrankheiten bereits hinter sich gelassen haben".
Dazu zählt aktuell das Stuttgarter Startup Aexea, an dessen Roboterjournalismus-Produkt Ax Semantics sich auch Telefonbuchverleger Oschmann und die Augsburger Allgemeine beteiligt haben. Die Aexea-Technologie generiert aus Datenbank-Einträgen automatisiert Texte, die laufend aktualisiert werden können. Die Text-Technologie wird im E-Commerce für die Beschreibung von Produkten eingesetzt. Für Verlage können damit auf Basis von Spieletickern Berichte lokaler Fußballligen generiert werden, stündlich aktualisierte Wettervorhersagen oder Terminankündigungen lokaler Events.
Startups als Recruiting-Ersatz für die Provinz
Mit den Digital-Investments verbinden die Verlage nicht nur die Hoffnung auf zukünftige Erlösströme jenseits des Kerngeschäfts. Sie lernen neue Technologien kennen, signalisieren nach innen, dass sie zukunfts- und innovationsfreudig sind, und sie sichern sich über die Startups den Zugriff auf externe Fachkräfte. Für einen regionalen Verlag sind die Beteiligungen an den meist in Großstädten angesiedelten Startups auch eine Art Recruiting-Ersatz. Die Gründer wiederum können vom Netzwerk und dem Management-Knowhow der Verlage profitieren.
Zwei frühe gemeinschaftliche Verlags-Investments zahlen sich inzwischen aus, weil sie sich als White-Label-Lösungen bei vielen anderen Verlage ausrollen lassen. Eines ist die vom staatlichen High-Tech Gründerfonds geförderte Jobsuchmaschine Kimeta. An Kimeta sind neun Verlage beteiligt - neben den Oldenburgern auch die MMS-Kooperation (Mainz, Heilbronn Freiburg), der Mannheimer Morgen, das Straubinger Tagblatt, die Nürnberger Presse, die Verlagsgruppe Madsack und Schwäbisch Media. Das zweite: Die NWZ hat ihr Trauerportal infrieden.de (Gründer: VRS Media) mit trauer.de von der Ippen-Gruppe zusammengelegt und inzwischen an über 100 Verlage in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Niederlande lizensiert.