Interview mit Norman Röhlig:
Image vs. Sales: Was leistet Influencer-Marketing?
Je mehr Influencer-Marketing zur Normalität wird, umso nachdrücklicher fragen Marketer nach einem Erfolgsnachweis. Was Sie erwarten können - und was nicht.
Vielen Marken gelten Influencer als Allheilmittel - gut fürs Image und die Umsätze pushen sie auch noch. Ist das nicht ein bisschen viel verlangt? Norman Röhlig, Geschäftsführer der Strategie-Agentur RSA Media, spricht über strategische Fauxpas und falsche Erwartungen bei der Zusammenarbeit mit digitalen Meinungsmachern.
Wo stehen wir Ihrer Meinung nach im Hinblick auf Social Media als Werbeumfeld?
Die Landschaft der sozialen Medien differenziert sich derzeit weiter aus und erfährt eine willkommene Professionalisierung. Einzelne Plattformen werden mit neuen Funktionen angereichert, Key-Influencer reisen nur noch mit eigenen Kamerateams und Unternehmen bauen ihre In-house-Fähigkeiten aus.
Dennoch ist es zuweilen haarsträubend, wie unbeholfen Influencer teilweise ausgewählt werden und wie unpassend mancher Content sowohl für die Marke des Werbungtreibenden, als auch für den Influencer selbst ist. Auf der anderen Seite entwickelt sich eine junge Garde an Kommunikationsverantwortlichen, die die Besonderheiten des Social Web versteht und gleichzeitig altbekannte Maßstäbe anlegt, um die digitale Kommunikation zielgerichtet zu managen. Vor allem Letzteres sehe ich als großen Vorteil, da lange Zeit undurchsichtig war, auf welchem fachlichen Niveau Unternehmen das Thema New Media aktiv vorantreiben.
Viele Unternehmen setzen Social Media ein, aber wenn der Sales-Erfolg ausbleibt, sind sie enttäuscht. Zu Recht?
Zu Anfang ging es eher darum, die Marke in den sozialen Medien einzuführen, um Awareness und Image zu stärken.
Heute erwarten die Kommunikationsverantwortlichen mehr, auch vom Influencer-Marketing. Allerdings sind die Kosten explodiert. Influencer erwarten hohe Gagen, Content wird nicht länger im Selfie-Modus generiert, sondern von professionellen Produktionsteams erstellt, und die Social-Media-Plattformen selbst müssen für die Verbreitung eigener Inhalte teuer bezahlt werden. Da kann man schon verstehen, warum es plötzlich heißt: Wo ist der Umsatz?
Diese Erwartung äußert sich dann zum Beispiel in direkten Verlinkungen zu sales-relevanten Informationsseiten oder gleich zum Shop. Vermehrt rücken somit das Produkt und dessen Vorzüge in den Vordergrund. Das heißt, klassische Kooperationen, die sich vormals allein am Content ausrichteten, werden heute mit Sales-Aktionen geknüpft, was logischerweise den Erwartungsdruck massiv erhöht.
Welche Influencer-Strategien sehen Sie bei Ihren Kunden?
Sobald wir eine Kampagne entwerfen, unterscheiden wir generell zwischen Image-adäquatem Marketing-Content und Sales-affinem Content. Wenn es hauptsächlich um die Sichtbarkeit der Marke geht, dann kann ich mich auf eine "konzeptionell-schöne Strategie" einlassen, die sich zu einhundert Prozent den Inhalten der Markenbotschaft widmet. Ganz klassisch: In welche Zielgruppen, wollen wir rein, wie sieht die Markenwelt aus und welche Influencer passen dazu? Wir setzen uns dann zusammen und kreieren unter Regie des Influencers kreativen Content, der die Markenwelten beider Partner harmonisch miteinander verbindet.
Bei einer Sales-Strategie geht es nicht nur um eine grundlegende Symbiose, sondern darum die Attraktivität des Produktes effizient zu maximieren und den Absprung in den Verkauf möglichst einfach zu gestalten. Das Markenprodukt rückt mehr in den Mittelpunkt des Geschehens.
Wie sieht das in der Umsetzung aus?
Grundsätzlich ist die Umsetzung einer Sales-Strategie ein Drahtseilakt, da Influencer mitunter zu Recht fürchten, dass ein allzu offensichtliches Anpreisen von Produkten von ihren Followern nicht goutiert wird. Demzufolge muss die Produkteinbindung äußerst geschickt vorgenommen werden.
Eine wichtige Rolle hierbei spielt die Frequenz. Um einen entsprechenden Abverkauf zu generieren, bedarf es einer mehrfachen Interaktion des Konsumenten mit der Werbebotschaft. Dies in einem kurzen Zeitraum über einen einzigen Influencer zu bewerkstelligen, ist riskant. Angesichts der Posting-Häufigkeit, empfehlen wir unseren Kunden in Hinblick auf den Abverkauf nicht auf einige wenige Influencer zu setzen, sondern eher auf eine größere Anzahl.
Auf diese Weise begegnet ein Nutzer dem Produkt mehrfach im Rahmen einer Session oder zumindest verteilt über einen Tag, eine Woche oder einen Monat. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist vor allem die Erkenntnis, dass solche Kooperationen wesentlich hochpreisiger sind. Je sichtbarer man ein Produkt platzieren will und je mehr Influencer involviert sind, desto höher sind die Kosten in der Umsetzung. Eigentlich eine "Milchmädchenrechnung" und doch die bisher größte Herausforderung im Tagesgeschäft, da Kundenwünsche und Kundenbudget meist in keiner Relation zueinander stehen.
Lassen sich Image-Werbung und verkaufsorientierte Inhalten kombinieren?
Der gute alte Gedanke: "Wir hätten gerne beides!" lässt sich nur noch kombinieren, wenn sich die Marke wirklich locker macht. Wenn ich einen größeren Abverkauf garantieren will, dann muss ich die Breite der Kooperationen beachtlich öffnen. Bei unserem Kunden Skagen, einer skandinavischen Lifestylemarke, konnten wir dies aktuell sehr erfolgreich umsetzen. Hier haben wir das Image und die Sichtbarkeit der Marke in schönen Bildern mit den perfekt abgestimmten Instagrammern über zwei Monate aufgebaut und als es im Dezember in den Abverkauf zum Weihnachtsgeschäft überging, wurde der Verteiler breiter, mit Influencern, die nicht nur aufgrund ihres Marken-Fits ausgewählt wurden. Ergo: Wer nur mit Image-adäquaten Influencern zusammenarbeiten will, sollte sich nicht wundern, wenn final kaum Sales generiert werden.
Wie findet eine Marke heraus, was für sie die passende Strategie ist?
Egal ob in kleinen oder mittelständischen Unternehmen bis hin zum Großkonzern: Wenn das Thema Influencer-Marketing aufkreuzt, sollte man genau wissen, für was man den Multiplikator nutzen will. Ist Sichtbarkeit das Ziel, funktioniert das hervorragend mit einer visuell perfekt abgestimmten Image-Strategie. Liegt der Fokus auf dem Umsatz, können wir uns von vielen Themen rund um die Markenwelt vorerst verabschieden. Sales-Content hat nicht gerade den Charakter besonders "hübsch" auszusehen, fördert jedoch den Absatz.
Und was heißt das konkret? Mut zu plakativer Werbung und weg vom kreativen Storytelling?
Prinzipiell gibt es im Umgang mit Produktplatzierungen mittlerweile sowieso einen hervorragenden Katalog an Regeln, der Influencer zur Kennzeichnungspflicht anhält. Sei es der kreative Content zur Imagebildung oder die reine Verkaufsmaßnahme. Das ist und bleibt wichtig für beide Seiten. Leider gibt es immer mal wieder Ausrutscher.
Die Grundsatzdebatte, die mich jedoch aktuell stört, betrifft vielmehr den Frust vieler Unternehmen, die mit dem Outcome ihrer Influencer-Strategie unzufrieden sind, weil sie keine Produkte verkaufen. Meine Antwort: Bitte schätzt realistisch ein, wie viele Influencer tatsächlich aktiviert werden müssen, wenn sie dazu beitragen sollen, den Umsatz zu steigern.
Welche Verantwortung tragen die Agenturen?
Das Erwartungsmanagement ist äußert wichtig. Es muss klar herausgearbeitet werden, wohin die finale Strategie führt. Das ist wahrhaft kein neues To-Do. In Anbetracht der Tatsache, dass sich jedoch beide Zielvorgaben signifikant in der Budgetplanung unterscheiden, sollten Wunsch und Wirklichkeit deutlich früher kommuniziert und entschieden werden.
Wie geht es beim Influencer-Marketing weiter?
Jeder gute Berater weiß, dass es schwer ist die Zukunft vorherzusagen, da technische Innovation in dieser Frage stets die Nase vorn hat. Das kann jeder bestätigen, der seine schillernde Instagram-Strategie basierend auf Fotos in kürzester Zeit um Bewegtbild und Stories erweitern musste. Wo die Zukunft hingeht, entscheidet allein das Social Web; ebenso wer die Influencer von morgen sind. Ich glaube jedoch fest daran, dass die Evaluation von Strategien und Kampagnen, die Entlohnungsmodelle hin zu stärkeren erfolgsbasierten Bezahlungen, doch vor allem das Nutzerverhalten der Konsumenten, um einiges wichtiger werden.
Der 36-jährige Wahlberliner Norman Röhlig gründete 2011 RSA Media, eine Strategie-Agentur mit den Schwerpunkten New Media Relations, Influencer- und Content-Marketing. Mit dem Ziel, Kampagnen im Social Web optimal umzusetzen, agiert die Agentur als Schnittstelle zwischen Medienschaffenden der digitalen Sphäre sowie werbetreibenden Unternehmen und vereint Beratung, Kreation und Produktion unter einem Dach. Dabei verantworten Röhlig und sein Team das globale Influencer-Marketing von Marken internationaler Konzerne wie der Henkel Group, Fossil und Peek & Cloppenburg.
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