Werbekunden zahlen:
Fiskus treibt die Google-Steuern bei Mittelständlern ein
Deutsche Finanzämter versuchen bei einigen Werbekunden neuerdings eine Quellensteuer von 15 Prozent auf Zahlungen an die Internetkonzerne einzutreiben – und das sogar bis zu sieben Jahre rückwirkend.
Die großen US-Internetunternehmen verkaufen in Deutschland Online-Werbung, doch ihre Unternehmenssitze haben sie in andere Länder gelegt - um Steuern zu sparen. Einige Finanzämter versuchen laut Berichten der "Wirtschaftswoche" und dem ZDF-Magazin "Frontal 21" jetzt das Geld bei den hiesigen Werbekunden einzutreiben. Die Finanzbehörden fordern neuerdings eine Quellensteuer von 15 Prozent auf Zahlungen an Google & Co. – und das sogar bis zu sieben Jahre rückwirkend, wie "Frontal 21" in der Sendung am 19. Februar 2019 berichtet (Sendetermin: 21:00 Uhr).
"Für viele Unternehmen sind solche Steuerforderungen existenzbedrohend", so Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel (bevh), gegenüber "Frontal 21". Laut dem Verband hatte das Bundesfinanzministerium bereits im Oktober 2017 in einem Schreiben Stellung zu vergleichbaren Regelungen hinsichtlich Computersoftware und Datenbanken bezogen. Der Appell: Mit einer entsprechenden Ergänzung und Klarstellung könne das Ministerium der deutschen E-Commerce-Branche schnell nötige Rechtssicherheit und Verlässlichkeit zurückgeben. "Sonst bleibt den Unternehmen nur der jahrelange Klageweg vor den Finanzgerichten bis hin zum Bundesfinanzhof", sagt Wenk-Fischer .
Die Chancen dieser deutschen Mittelständler, sich die Summe bei den Internetkonzernen zurückzuholen, stehen schlecht. "Das ist reine Theorie", sagt Steuerrechtsexperte Professor Manuel Theisen, "wie soll ein bayrischer Einzelunternehmer an Google herankommen, an dem sich die Finanzverwaltungen dieser Welt die Zähne ausbeißen"?
Die ersten bekannt gewordenen Fälle dieser Art kommen aus Bayern. Das ZDF nennt beispielsweise den Markisenhersteller Schoenberger. Der Chef des Mittelständlers rechnet mit einer Nachforderung zwischen zwei und vier Millionen Euro, wie er in einem TV-Beitrag berichtet. Für die betroffenen Unternehmen bedeutet das, Rückstellungen in Millionenhöhe in der Bilanz vorzusehen.
Die bayerischen Finanzämter seien angewiesen, "die betroffenen Fälle bis zur endgültigen Festlegung einer bundeseinheitlichen Verwaltungsauffassung offen zu halten", heißt es nun aus dem bayerischen Finanzministerium gegenüber "Frontal 21". Doch der Bundesfinanzminister will sich derzeit nicht festlegen. Hierzu "besteht noch keine abgestimmte Auffassung zwischen den Finanzverwaltungen von Bund und Ländern", teilt sein Ministerium mit. Man arbeite zudem weiterhin an einer internationalen Lösung, um die großen Internetkonzerne angemessen zu besteuern.
Die Reaktionen
OWM-Geschäftsführer Joachim Schütz kritisiert das Vorgehen deutlich: "Es ist den deutschen Steuerbehörden bislang scheinbar nicht gelungen, Google, Facebook und Co. hierzulande zu besteuern. Der Weg, der nun von einigen Finanzämtern beschritten und auf dem Rücken deutscher Werbungtreibender ausgetragen wird, ist der falsche Weg und bedroht insbesondere mittelständische Werbungtreibende und Start-ups, letztere sogar in ihrer Existenz. Dass Werbungtreibende sich die zusätzlichen Steuerausgaben von den US-Digitalkonzernen zurückholen, geht aber völlig an der Realität vorbei. Die Finanzämter sind mit der Aktion übers Ziel hinausgeschossen."
Die Organisation Werbungtreibende im Markenverband warnt: Sollte sich das Bundesfinanzministerium zu einer einheitlichen bundesweiten Quellensteuer auf Onlinewerbung bei ausländischen Anbietern entschließen, hätte das weitreichende Folgen für die gesamte deutsche Wirtschaft. Schütz: "Wir appellieren an die deutsche Politik, ihre Pläne im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu überdenken. Die Besteuerung internationaler Konzerne muss schnellstmöglich auf EU-Ebene gelöst werden."
Kommt eine Digitalsteuer?
Österreichs Finanzminister Hartwig Löger ist optimistisch, dass sich die EU bald auf eine abgespeckte Variante einer Digitalsteuer für Internet-Konzerne wie Facebook, Amazon und Google einigen wird. "Es kann im März gelingen, einen gemeinsamen Beschluss zu finden", sagte Löger mit Blick auf das Treffen der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister (Ecofin) im nächsten Monat. Eine gewisse Enttäuschung sei dennoch vorhanden, meinte Löger im Gespräch mit dem Verband der Auslandspresse. "Es ist nicht das, was wir uns erwartet hatten."
Das Alpenland hatte in seiner vergangenen EU-Ratspräsidentschaft eine Digitalsteuer von drei Prozent vorgeschlagen, die auch Teile der Umsätze aus der Vermarktung von Nutzerdaten umfasste. Ein in letzter Minute von Deutschland und Frankreich eingereichtes Papier sieht eine Besteuerung nur der Werbeumsätze vor. Löger bekräftigte, dass Österreich, wie andere EU-Staaten auch, im Fall eines Scheiterns die Steuer auf nationaler Ebene einführen werde. Unternehmen wie Google und Facebook müssen laut EU in der Union noch immer wenig bis gar keine Steuern zahlen.