Interview mit Max Schrems:
Der Mann, der sich gegen Facebook durchgesetzt hat
Nach seiner erfolgreichen Klage gegen Facebook ruft Netz-Rebell Max Schrems jetzt zu Datenschutz-Guerilla auf. Was will der Mann wirklich und warum ist er selbst immer noch bei Facebook? W&V-Redakteurin Anja Janotta hat mit Schrems über das richtige Social-Media-Maß gesprochen.
Max Schrems hat vor zwei Jahren von Facebook alle Datensätze erklagt, die das Netzwerk über ihn sammelte. 1.200 Seiten bekamen er und seine Mitstreiter zugeschickt - auch Daten, die Schrems längt gelöscht glaubte. Der österreichische Jura-Doktorand hat nun ein Buch geschrieben, um die Nutzer für den Datenschutz zu sensibilisieren. "Kämpfe für deine Daten" ist am Freitag bei Edition A. erschienen. W&V-Redakteurin Anja Janotta hat mit dem streitbaren Facebook-Kritiker gesprochen.
Die USA hält uns für eine absurde Truppe von Datenschützern, schreiben Sie. Fühlen Sie sich als Vorkämpfer des Absurden?
Für absurd vielleicht nicht, Vorkämpfer schon.
Sie haben eigentlich schon viel erreicht. Allein die jüngsten Meldungen lassen das rückschließen: WhatsApp muss das Kleingedruckte in Deutsch anbieten und SPD und CDU wollen eine Schlichtungsstelle für Google–Beschwerden einrichten. Ist Datenschutz immer noch absurd? Oder wird das Thema in den USA mittlerweile wahrgenommen?
In den USA wird es wahrgenommen. Das ist nicht mehr ein Minderheitenproblem, sondern durchaus mehrheitsfähig. Mich erinnert vieles von dem an die Umweltschutzproblematik. Da hat es auch 40 Jahre gebraucht, bis die konservativen Politiker aufgewacht sind.
40 Jahre sollten wir aber nicht mehr warten müssen, oder?
Man ist ja immer froher Hoffnung, dass die konservativen Parteien etwas schneller verstehen. Im Ernst, ich glaube, dass das schneller gehen wird. Aber in zehn, 20 Jahren werden wir trotzdem noch nicht alle Probleme gelöst haben. Wir können viel lösen auf europäischer Ebene mit der neuen Datenschutzverordnung. Aber leider wird die ja von den Deutschen im Europäischen Rat blockiert. Trotzdem könnte man in der Politik viel erreichen.
Wie ginge das?
Oft fühlen wir Europäer uns als die Ritter in der weißen Rüstung. Wenn man die Grundrechte will, dann muss man als Ritter auch dafür kämpfen.
Sie plädieren für Guerilla-Datenschutzmaßnahmen in ihrem Buch. Jeder einzelne sollte das in die Hand nehmen.
Das Problem hier ist, dass sich der Einzelne schnell auf ein technisches Wettrüsten mit den Konzernen einlassen muss. Wenn ich Cookies ausschalte, dann kommen Flash-Cookies, wenn ich E-Mails verschlüssele, kommen andere Techniken. Da ist das, was der Einzelne machen kann, relativ überschaubar.
Sie spielen den Ball dann doch wieder der Wirtschaft oder der Politik zu?
Solche Dinge zu regeln muss gesamtgesellschaftlich angepackt werden. Dafür haben wir ja in der Demokratie ein Staatswesen, das das übernehmen sollte. Da muss viel mehr passieren. Wir haben Behörden, die vollkommen überfordert und unterbesetzt sind. In Irland beispielsweise bekomme ich, wenn ich falsch parke, einen Strafzettel. Wenn ich aber Millionen von Daten veruntreue und an die NSA weiterleite, dann passiert - nichts. Das kann man den Bürgern kaum noch erklären.
Sie gehen weiterhin auf dem Prozessweg gegen Facebook vor. Per Crowdfunding versuchen Sie, die vermutlich horrenden Prozesskosten aufzufangen. Wie viel Unterstützung erfahren Sie da?
Wir haben als Verein Europe versus Facebook jetzt 50.000 Euro auf dem Konto. Das ist eine gute Sicherheit, denn ich muss als Privatperson klagen und habe das volle Kostenrisiko. Gerade in Irland kann man die Prozesskosten kaum abschätzen. Deswegen brauchen wir dieses Geld als Rückversicherung. Das heißt aber auch, wenn wir das Geld nicht brauchen, erstatten wir es zurück oder spenden es an andere Organisationen.
Wie ist der Stand bei Ihren gerichtlichen Auseinandersetzungen?
In Irland haben wir gerade eine Klage laufen, die soll in zwei bis drei Wochen entschieden werden. Es geht darum, wie Facebook und andere ihre Daten an die NSA weitergeben. Eigentlich herrscht in ganz Europa die Meinung, das ist illegal. Nur die irischen Behörden tun so, als ob unser Anliegen frivol wäre und man da nicht handeln müsse. Wir haben die irische Behörde wegen Untätigkeit verklagt. Bis jetzt schaut es für unsere Sache ganz gut aus.
Was erhoffen Sie sich jetzt davon?
Facebook sitzt ja nur in Irland, weil sich das Unternehmen Steuern sparen will. Das Unternehmen kann seine Probleme ganz schnell lösen, indem es einfach wieder anständig Steuern zahlt und zurück in die USA geht. Es ist tatsächlich die Frage, was dabei rauskommt. Aber wir wollten den Problemfall eskalieren. Bislang haben wir nette politische Briefchen geschrieben, wenn aber jetzt Unternehmen X in Irland ein ernsthaftes Problem bekommt, wird das Thema einfach stärker wahrgenommen.
An Wahrnehmung dürfte es ja kaum fehlen. Sie haben auch in Deutschland viel prominente Unterstützung bekommen. Hilft Ihnen die Aufmerksamkeit, mit Ihrem Anliegen "Kämpf um Deine Daten" mehr Gehör zu bekommen?
Nach den Berichten über die NSA ist die Stimmung gekippt. Das war der Turnaround. Meine Rolle war eher die, dass man überhaupt erst mal ein Praxisbeispiel hat, was passiert mit meinen Daten. Es ist schon spannend zu beobachten, wie meine Erkenntnisse dann bei den Verhandlungen der Datenschutzrichtlinien eingeflossen sind.
Glauben Sie an die Aufrichtigkeit der Wirtschaft? An Selbstverpflichtungsmodelle?
Es gibt in der Internetwirtschaft keine ernsthaften Selbstverpflichtungsmodelle. Ein verfassungsgemäß garantiertes Grundrecht den Unternehmen zu überlassen, ist des Rechtsstaats nicht würdig.
Was gäbe es zu tun?
Es gibt verschiedene Wege. Zum einen gehört der Punkt Bildung dazu. Oder Privacy by Design. Das heißt, dass Programmcode gleich von Anfang an datenschutzrechtlich sauber in die Software eingebaut wird. Aber vielfach fehlt es auch an Wissen bei den Programmierern, weil Datenschutz als Standardfach nicht in der IT-Lehre unterrichtet wird. Das ist quasi so, als würden sie einem Architekten nichts darüber erzählen, was in der Bauordnung drin steht.
Wie sähe ein rechtskonformes Modell für die Werbung bei Facbeook und Co. aus?
Man könnte mit Daten arbeiten, die die Leute informiert und freiwillig hergeben. Oder ein Unternehmen könnte es mit kontextbezogener Werbung oder ortsbezogener Werbung über die IP-Adresse versuchen, also mit Daten, die nicht personenbezogen sind. Wenn ich aber wie Facebook Tausende von Datensätzen anlege, nur um die Klickraten um zehn Prozent zu steigern, dann ist natürlich die Frage, ob das jemals verhältnismäßig ist. Immerhin ist Vorratsdatenhaltung über sechs Monate laut EuGH verboten, aber Facebook kann über zehn Jahre solche Datensätze anlegen, nur um die Klickraten auf Werbeflächen zu steigern.
Gibt es von Ihnen eine einfache Antwort auf die Frage: Facebook ja oder nein?
Facebook ist nicht okay, aber es gibt keine Alternative. Ich bin selbst noch bei Facebook. Entweder ich begebe mich in die Einsiedelei oder mache mit. Dem kann ich mich, wenn ich halbwegs an der Gesellschaft teilhaben will, nicht entziehen. Ich finde die Technik soziales Netzwerk ja auch extrem cool. Aber man muss das Unternehmen, das das soziale Netzwerk betreibt, davon trennen. Das übertreibt es manchmal. Da muss ich mich schon fragen, ist es nötig, dass das Unternehmen Daten behält, die ich gelöscht habe? Muss es über Social Plugins schauen, welche Drittseiten ich wie lange außerdem besuche und welche Artikel ich in der Zeitung lese? Nein.