
Shanghai Corona Days:
Wie werden Messen in Shanghai aussehen?
Wie lebt, arbeitet und fühlt man sich nach 45 Tagen Quarantäne? Stefan Justl von Storymaker China besucht Messemacher Michael Kruppe und informiert sich über Post-Corona-Events in Shanghai.

Foto: Storymaker
Heute habe ich Michael Kruppe getroffen. Als General Manager der SNIEC (Shanghai New International Expo Centre) ist er die Kontaktperson für alle Messen und Aussteller in Shanghai. SNIEC ist die einzige deutsch-chinesische Messegesellschaft mit einem hochmodernen Messegelände in Shanghai. Er kam gerade von einem Training bei der Stadtregierung, bei dem man nochmals die Abläufe für den "Tag X" durchsprach. Wie funktioniert alles, wenn das Messegelände wieder geöffnet wird?
An der Ausarbeitung der Sicherheitsmaßnahmen hat er mitgearbeitet: "Die Health and Safety Checks werden wesentlich intensiver, genauer, öfters und auch umfangreicher sein als zuvor." Die Regierung hat neue Hightech-Geräte angeschafft und mit den Gesundheits-, Quarantäne- und Polizeibehörden sowie der Public Security Bureau verhandelt wie die Maßnahmen umgesetzt werden.
Szenario: Fieber-Messung und Gesichtserkennung
Noch ist nichts final entschieden, aber es wird nachgedacht über Infrarotbereiche, wo automatisch beim Durchgang das Fieber der Besucher gemessen wird. Wahrscheinlich wird die in China schon breit angewendete Gesichtserkennung genutzt, die mit den Daten vom Health QR Code abgeglichen wird – wessen Gesicht mit einem grünen Code registriert ist, darf passieren. Zudem wurden spezielle UV-Lampen entwickelt, die Viren besser abschirmen sollen, vielleicht sogar abtöten können.
Alles geht in Richtung Öffnung bei starken Sicherheitsmaßnahmen. Michael Kruppe erinnert sich wie alles begann:
"Anfang Februar hatte Mofcom, das chinesische Handelsministerium, hochoffiziell mitgeteilt, dass chinaweit aufgrund von Corona keine Messen mehr stattfinden dürfen. Von Anfang an erhielten wir täglich Updates und hatten direkten Kontakt zur lokalen Regierung. Die erste Messe, die in Shanghai abgesagt wurde, war die 30. East China Fair, die große Import- und Exportmesse mit über 6.500 Ausstellern. Danach ging es Schlag auf Schlag: Mega-Messen wie Domotex, Hotelex, Agrichem, Electronica oder Laser, die bei mir das ganze Gelände – also 300.000 Quadratmeter, gebucht hatten, sagten ab.
Damit stornierten auch große internationale Konzerne wie Bayer, BASF, Kuka oder Dow ihre Beteiligungen. Zu den großen Messen kommen normalerweise größere Delegationen aus Deutschland, auch die Vorstände und der CEO, um wichtige chinesische Kunden zu treffen.
Für alle beteiligten Unternehmen war dies eine katastrophale Entscheidung. Viele Ausgaben wurden ja bereits im Voraus getätigt, für Werbe- und Marketingaktionen, aber auch Vorauszahlungen auf Hotel- und Restaurantbuchungen, die Standmiete. Messen sind Schaufenster und Treffpunkt; in China werden auf der Messe die großen Aufträge unterschrieben, sich persönlich zu begegnen ist unersetzbar. Virtuelle und digitale Messen werden jetzt zwar heiß diskutiert. Aber Messeveranstalter wie auch die meisten Aussteller, mit denen wir sprechen, sind sehr skeptisch und denken nicht, dass Face-to-Face-Begegnungen ersetzbar sind.
Was mich sehr beeindruckt hat, war die Kooperation und der Zusammenhalt in dieser schwierigen Zeit. Chinesische und ausländische Unternehmen wurden gleichbehandelt; man tauschte sich aus und dachte gemeinsam über Regelungen nach. Wir saßen alle im selben Boot und keiner konnte irgendwie an Land schwimmen.
Aktuell hoffen wir, dass ab Juli wieder kleinere Veranstaltungen möglich sind. Man kann in China schon wieder reisen. Über die Mai-Feiertage hat Li Qiang, der Gouverneur der Stadt Shanghai, einige Verbraucher-Veranstaltungen für Auto- und Elektronikhandel, Kosmetik und Beauty persönlich eröffnet. Das werten wir als Signal, dass es auch für größere Veranstaltungen bald grünes Licht gibt.
Natürlich wird alles unter strenge Schutzvorschriften gestellt. Als Messeveranstalter aktualisieren wir ständig, je nach Vorschriften und aktueller Situation, Abläufe und Sicherheitsprotokolle. Hierzu tausche ich mich auch in meiner Funktion als Mitglied des Board of Directors der weltweiten Exhibition Association UFI, mit anderen Ländern aus. In einer globalen konzertierten Aktion legen wir weltweit den lokalen Regierungen diese Pläne vor, um möglichst schnell grünes Licht für die Wiedereröffnung der Messen und Veranstaltungen zu ermöglichen.
Die deutsche Industrie hat in China über einen langen Zeitraum sehr gute Geschäfte gemacht. Auch wir als Messeveranstalter können wahrlich nicht klagen. Es gibt Rücklagen, die es uns ermöglichen, auch eine Krisenzeit durchzuhalten. Die Frage ist nur, wie lange sie andauert. Dass Events wieder zugelassen werden, ist ja nur ein Aspekt. Die Angst der Menschen geht nicht so schnell zurück wie die Infektionszahlen."
Welche Rollen spielen Zeitungen, Fernsehen und Radio bei den Corona-Updates? Darüber berichte ich in der nächsten Kolumne. Bleibt gesund.
Stefan Justl verantwortet als General Manager das Geschäft von Storymaker in China. Die Kommunikationsagentur sitzt in Tübingen, München, Berlin, Beijing und Shanghai. Direkt vom Shanghai-Homeoffice aus berichtet er nun zweimal pro Woche auf wuv.de über die Auswirkungen von Corona in China, den Umgang mit der Krise und wie es dort jetzt weitergeht. Den Pilot der Serie "Arbeiten in Shanghai: 45 Tage Corona-Schockstarre" lesen Sie hier. Hier geht's zu den Beiträgen über Einkaufen, die Gesundheits-App , Schutzmasken, Homeschooling, hilfreiche Apps, saubere Luft, Teleshopping, deutsche Unternehmen in China, Humor, Büroalltag, Marketing und Urlaub.