Interview mit Ralf Strehlau:
Wie Unternehmensberatungen Agenturen einschätzen
Agenturen mischen sich zunehmend in Fragen der Firmenstrategie ein. Was sagt eigentlich die Consultant-Lobby dazu? W&V hat BDU-Chef Ralf Strehlau gefragt.
Machtkampf im Beratermarkt? Iwo. Nach Ansicht von Ralf Strehlau, Präsident des Bundesverbands Deutsche Unternehmensberater (BDU), sind die Rollen nach wie vor klar verteilt.
Herr Strehlau, die Agenturszene streckt ihre Fühler nach den Weide-gründen der Unternehmensberater aus. Irritiert Sie das bloß oder machen Sie sich Sorgen?
Weder noch. Das Thema ist nicht neu. Gefühlt kommt es alle fünf, sechs Jahre auf: Agenturen versuchen sich als Managementberatung und streben den Kontakt zu den Topentscheidern, zur ersten Führungsebene an. Das ist ihr gutes Recht. Das Berufsbild des Unternehmensberaters ist ja in Deutschland nicht rechtlich geschützt.
Diesmal haben Agenturen womöglich bessere Karten als in der Vergangenheit. Stichwort digitale Transformation.
Tatsächlich sind die Veränderungen, denen sich Unternehmen im Zuge der digitalen Transformation zu stellen haben, fundamentaler als früher, betreffen Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsprozesse. Diese Neuausrichtung bedarf kompetenter Beratung. Für Agenturen ergibt sich daraus ein vielversprechendes Thema, nämlich: Wie verändert die Digitalisierung Instrumente und Einsatzgebiete des Marketings? Wenn es aber um die Auswirkungen auf Geschäftsmodelle geht, sind nicht Agenturen die ersten Ansprechpartner, sondern klassische Unternehmensberatungen.
Weil man ihnen mehr digitales Fachwissen zutraut?
Weil Unternehmensberatungen den strategischen Blick auf das Gesamtbild eines Unternehmens haben und dessen Wettbewerbssituation im Markt als Ganzes verbessern. Entwickelt man neue Geschäftsmodelle, ist es mit einer begleitenden Werbekampagne nicht getan und sei sie noch so einfallsreich. Die Neuformulierung der Unternehmensziele wirkt hinein in Prozesse und Strukturen, erfordert zum Beispiel eine veränderte Ausrichtung der Human Resources, damit sich die Transformation auch personell abbilden lässt. Hinzu kommt die Berechnung betriebswirtschaftlicher Erfolgsfaktoren oder die Anpassung von IT-Systemen. Unternehmensberatungen tun sich damit klassischerweise leichter, weil sie mit dem Rüstzeug der BWL ans Werk gehen. Agenturen haben ihre Stärken in der Umsetzung von Marketingstrategien. In meiner eigenen Unternehmensberatung kooperiere ich immer wieder mit Agenturen, wähle sie zum Teil auch für meine Kunden aus.
Haben Sie ein Beispiel für die Kooperation mit Agenturen?
Nehmen wir Apotheken. Mit der Möglichkeit, verschreibungspflichtige Medikamente übers Internet zu versenden, verändert sich deren Geschäftsmodell. Es braucht einen Onlineshop, eine entsprechende Logistik – und natürlich auch Onlinemarketing, vom Facebookauftritt bis zur Suchmaschinenoptimierung: Da kommen dann spezialisierte Agenturen ins Boot.
Immer mehr Beratungen bieten derlei mittlerweile selbst an.
Das stimmt. Zum Consulting gehören Strategie-, Konzept- und Umsetzungsberatung. Da ist der nächste Schritt nur logisch: eigene Umsetzungskapazitäten aufzubauen. Das führt zu Überschneidungen mit Geschäftsfeldern der Agenturszene. Aber die gab’s auch früher.
Sie haben nicht den Eindruck, dass sich Beratungen und Agenturen in die Quere kommen?
Die Überschneidungen mögen im Zuge der digitalen Transformation zugenommen haben. Doch die Rollenverteilung zwischen Beratungs- und Agenturszene ist klar. Natürlich wollen Agenturen ins Consulting, das ist ihnen nicht zu verübeln. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg für sie.
Interview: Martin Bell
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Zur Person:
Ralf Strehlau (51) ist geschäftsführender Gesellschafter der Anxo Management Consulting aus Hofheim am Taunus, die vor allem mittelständische Betriebe berät. Seit 2016 ist er Präsident des Bundesverbands Deutsche Unternehmensberater (BDU).