Kommentar:
VW entzieht sich seiner Verantwortung
Die Entscheidung im Skandal um den rassistischen Werbeclip ist gefallen. Niemand muss gehen: Volkswagen nimmt Korrekturen im Prozessmanagement vor und feilt am Diversity-Konzept. Das reicht nicht.
Alle haben sich erklärt, sich entschuldigt, alle übernehmen die volle Verantwortung. Der Volkswagen-Konzern macht für das rassistische Video "Le Petit Colon" fehlende Sensibilität und ein mangelhaftes Prozessmanagement in den eigenen Reihen verantwortlich. Rassismus lässt sich das Unternehmen aber nicht unterstellen.
Dafür fand der Revisionsbericht, den die Vorstände Hiltrud Werner (Recht, Integrität), Jürgen Stackmann (Marketing) und CMO Jochen Sengpiehl am Donnerstagmorgen der Presse vorgestellt haben, keine Belege. Niemand, weder auf Unternehmens- noch auf Agenturseite, habe vorsätzlich gehandelt. Jedenfalls nach jetzigem Stand.
VW reagiert viel zu spät...
Es ist löblich, dass sich der Autobauer die Zeit dafür genommen hat, auf die Vorwürfe der Verbraucher- und Mitarbeiter*innen zu reagieren und den Fall genau zu untersuchen, wenn das auch sehr spät geschehen ist. Niemand wolle "Bauernopfer", sagt Vorständin Werner. Gut so.
Ein Board von Diversity-Expert*innen, Schulungen, diversere Teams und eine neue Organisation für die Kommunikation in den sozialen Medien sollen solche Ausrutscher in Zukunft unmöglich machen. Fehler aber, so Werner, würden immer wieder gemacht. Auch wenn sie das persönlich enttäusche.
... und nimmt die Sache nicht ernst genug
Wirklich konsequent, wie behauptet, handelt das Unternehmen damit nicht. Im Gegenteil: Volkswagen tut das Ganze ab, als handele es sich um eine Bagatelle, ein Ungeschick, einen Dummen-Jungen-Streich, dem man nun mit einem weiteren Gremium, Workshops, mehr Heterogenität in den Abteilungen begegnen könne - und das in Zeiten von "Black lives matter". Die Frage sei erlaubt: Was hat die Diversity-Beauftragte des Konzerns, Elke Heitmüller, denn bislang gemacht?
Es mag außerdem sinnvoll sein, für die Kommunikation in den sozialen Medien neue, silofreie Strukturen aufzusetzen, um Content zu kuratieren und besser zu kontrollieren. Obgleich sich das Marketing klar sein muss, dass das "Immer mehr, immer schneller, immer günstiger" in der Kommunikation genau zu dem Problem führte, mit dem es Volkswagen jetzt zu tun hat. Es nützt nichts, den Agenturen die Schuld zu geben, die, wie Stackmann vor versammelter Journaille sagte, ja so viele wechselnde Leute auf einem Etat beschäftigten. Die Flexibilität und der Kostendruck, die Kunden heute Agenturen abverlangen, zwingen sie nun mal dazu, nicht permanent ihre besten Kräfte für einen Kunden vorzuhalten. Sie müssen alle Kräfte ökonomisch sinnvoll auslasten. Das war schon vor Corona so.
Jochen Sengpiehl muss im Zweifel selbst gehen
Marketingchef Jochen Sengpiehl hat im Laufe des Pressegesprächs zweimal betont, er allein trage die Verantwortung für das Video. Er stellte sich damit vor seine Mitarbeiter*innen, als die Frage aufkam, wer eigentlich zuletzt das gesamte Material freigegeben hat. Dazu sagte VW nämlich nichts. Sengpiehls Akt ist ehrenhaft, bedeutet aber im Zweifel auch, selbst den Hut zu nehmen, wenn es darauf ankommt. Der Marketer, das konnte man spüren, wirkt angezählt. Schnitzer diesen Ausmaßes darf er sich in nächster Zukunft nicht mehr erlauben.