Arbeitszeitmodelle:
So klappt's auch mit der Teilzeit in Agenturen
Agenturgeschäft und Teilzeitmodelle widersprechen sich? Nein, sagt Levke Timmann von For Sale Digital. Man muss es nur gut organisieren. Der Schlüssel liegt im agilen Arbeiten.
Levke Timmann ist als Geschäftsführende Gesellschafterin für die Abläufe bei der Agentur For Sale Digital zuständig. Ein Viertel der Mitarbeiter arbeitet in Teilzeitmodellen. Wir haben uns mit ihr darüber unterhalten, wie man das agil organisieren kann.
Teilzeit und Karriere schließen sich bei Ihnen nicht aus. Sie sind das beste Beispiel.
Ich selbst bin Geschäftsführerin mit einer 30 Stunden-Woche geworden und habe erst als meine Töchter größer waren, auf eine 40-Stunden-Woche erhöht. Nicht, weil ich musste, sondern weil ich wollte.
Welche Tools sind nach für Sie unverzichtbar, wenn man Teilzeitarbeit in einer Agentur organisieren möchte?
Es gibt eine Gesamtmenge an Aufgaben bei uns und dafür brauchen wir ausreichend Mitarbeiter. Daraus eine funktionierende Agentur zu machen, ist wie ein großes Puzzle. Die Aufgaben müssen auf die Mitarbeiter mit ihrer individuellen Arbeitszeit verteilt werden – unter Berücksichtigung des passenden Know-hows. Wir arbeiten in agilen interdisziplinären Teams und organisieren uns in JIRA.
Für die reibungslose Zusammenarbeit hilft es sehr, dass wir insgesamt sehr gut strukturiert sind. Alle Informationen zu einem Projekt werden ausreichend dokumentiert, sind für alle einsehbar und können von jedem nachvollzogen werden.
Wie transparent gehen Sie mit der beschränkten Arbeitszeit Ihrer Leute gegenüber dem Kunden um?
Wir arbeiten maximal transparent mit unseren Kunden zusammen und priorisieren gemeinsam, welche Projekte im nächsten Sprint umgesetzt werden. So wissen unsere Kunden, was wir tun und wann was fertig wird. So schaffen wir Vertrauen und das Projekt steht im Mittelpunkt – nicht die Frage, wer wann daran arbeitet.
Würden Sie eine bestimmte Wochenarbeitszeit in der Agentur empfehlen, damit das reibungslos laufen kann? Wo sitzen die Stolperfallen?
Ich würde fehlendes Vertrauen als größte Stolperfalle bezeichnen. Das passiert bei zu wenig persönlichem Austausch und fehlender Kommunikation. Egal, ob Chef oder Mitarbeiter - wenn ein Team nicht ausreichend Zeit hat, durch persönliche Nähe Vertrauen aufzubauen, wird es schwierig in der Zusammenarbeit. Bei ausreichend Nähe und Vertrauen sind wir bereit, uns auf unser Gegenüber einzustellen, uns zu unterstützen und gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten.
Als ideale Teilzeit-Variante hat sich bei uns 30 Stunden pro Woche, verteilt auf 5 Tage herausgestellt. Bei weniger als 20 Stunden und weniger als 3 Tagen pro Woche wird es deutlich schwieriger, eine gute Zusammenarbeit zu gewährleisten. Aber die Mehrheit der Kollegen wünscht sich sowieso Wochenarbeitszeiten von 20 Stunden und mehr.
Gibt es andere Empfehlungen für Mitarbeiter mit Führungsaufgaben? Kann man auch vom Home-Office aus gut führen?
Und für Teilzeit-Chefs gilt das Gleiche, wie für alle Kollegen. Die Aufgaben müssen zur Arbeitszeit passen. Egal, ob Chef oder nicht – jeder, der so (im Home-Office, Anmerkung der Reaktion) arbeitet, muss sich bewusst sein, dass die Anforderung an Transparenz und Austausch noch höher ist als sonst.
Es muss viel für eine gemeinsame Vertrauensbasis getan werden.
Wie managen Ihre Mitarbeiter das, wenn mal in der Agentur "die Hütte brennt"?
In erster Linie ist es eine Frage der Bereitschaft, die Projekte realistisch zu planen, so dass es gar nicht erst zu Überstunden kommt. Es darf einfach nicht sein, dass die Rendite einer Agentur auf dem Rücken der Mitarbeiter erwirtschaftet wird.
Ich als Geschäftsführerin fühle mich verantwortlich dafür, dass jeder sein Privat- und Arbeitsleben gut koordinieren kann. Und die Kollegen übernehmen natürlich auch Verantwortung für ihre Agentur. Das ist ein gemeinsamer Weg, den wir gehen.
Bei spontanen Engpässen ist es sogar von Vorteil, wenn es mehr Mitarbeiter gibt, die in Teilzeit arbeiten. Mit mehr Mitarbeitern gibt es auch mehr Kollegen, die einspringen können in Urlaubszeiten oder anderen Vertretungssituationen. Wenn man den Gedanken loslässt, dass ein Mitarbeiter zu einer Stelle passen muss, sondern so plant, dass die Aufgabenverteilung zu den Mitarbeitern passt, ist es gar nicht so schwierig, Teilzeit zu organisieren.
Was ist die größte Stolperfalle aus Ihrer Sicht?
Ich würde fehlendes Vertrauen als größte Stolperfalle bezeichnen. Das passiert bei zu wenig persönlichem Austausch und fehlender Kommunikation. Egal, ob Chef oder Mitarbeiter - wenn ein Team nicht ausreichend Zeit hat, durch persönliche Nähe Vertrauen aufzubauen, wird es schwierig in der Zusammenarbeit.
Welche Vorteile bieten sich durch die Teilzeit-Freundlichkeit auf dem angespannten Recruitingmarkt?
Viele Kollegen sind zu uns gekommen, weil wir diese Möglichkeiten bieten. Und andere sind trotz einer Veränderung in ihrem Privatleben bei uns geblieben, weil sie ihre anfängliche Vollzeit-Tätigkeit später flexibler anpassen konnten. In anderen Unternehmen hätten sie kündigen müssen, weil ihnen keine Teilzeit-Position angeboten worden wäre. So geht in vielen Firmen das Know-how verloren.
Wir sollten die Chancen verstehen, die verschiedene Wochenarbeitszeiten uns allen bieten. Zufriedene Kollegen, die ihre verschiedenen Arbeits- und Lebenswelten gut vereinen können und deshalb eine große Bereicherung sind.
Das ganze Interview mit Levke Timmermann lesen Sie in der W&V-Schwester-Publikation "Kontakter".
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