Retro-Welle:
Harry Wijnvoord und "Der Preis ist heiß" sind wieder da
Als Harry Wijnvoord zuletzt durch die Kulisse von "Der Preis ist heiß" schritt, war Kohl noch Kanzler. Nun spült die Retro-Welle sie zurück ins TV. Für Wijnvoord erfüllt sich ein Traum. Auch für die Zuschauer?
Man kann nicht sagen, dass Harry Wijnvoord untätig gewesen ist seit 1997. Zeitweise zog er in das RTL-Dschungelcamp, er wanderte mit Karl Dall auf dem Jakobsweg und neulich heiratete er seine Frau Iris auf einem Kreuzfahrtschiff. Was Wijnvoord in all den Jahren aber immer begleitete, was nie weg war, das war diese eine Show, die er 1997 aufgeben musste. Der 72-Jährige, der gerade gut gelaunt im Auto sitzt, sagt es so: "Ich bin die abgelaufenen 25 Jahre jeden Tag mindestens zweimal angesprochen worden: Mensch Wijnvoord, warum ist "Der Preis ist heiß" nicht wieder bei RTL?"
Ob es an den vielen Nachfragen lag oder eher daran, dass mit "Wetten, dass..?" (ZDF), "Geh aufs Ganze!" (Sat.1) oder "TV total" (ProSieben) gerade reihenweise eingeschlafene Show-Dinos zurückgeholt werden und eine Retro-Welle durch das deutsche Fernsehen schwappt - geschenkt. Fest steht: Die drängenden Fragen an Wijnvoord dürften leiser werden. Denn auch "Der Preis ist heiß" kehrt nun zurück. Am Mittwoch (4. Mai, 20.15 Uhr) zeigt RTL die erste von vorerst drei neuen Folgen.
Ein Relikt der 90er Jahre
Der Sender selbst spricht von einem "Retro-Highlight" und retro ist es auf jeden Fall. Denn kaum eine andere Sendung stand so für die 90er Jahre. Sie lief von 1989 bis 1997, die Kulisse war knallbunt und blinkte wie eine Kirmes. Das Spielprinzip kreiste - auch irgendwie zeitgeistig passend zum Zerfall der Sowjetunion - um Marktwirtschaft und Konsum: Kandidaten mussten schätzen, was ein bestimmtes Produkt im Handel kostete, zum Beispiel eine Packung Reis. Das Publikum brüllte dazu irritierend laut: "Weniger! Mehr!". Und das Tollste für alle war, wenn am Ende ein "nigelnagelneues" Auto gewonnen wurde.
Wijnvoord soll diese ganz spezielle Stimmung, in der Waschmaschinen und Gartenmöbel wie das Bernsteinzimmer bejubelt werden, nun wieder herstellen. Er ist da auch sehr optimistisch, wie er während seiner Autofahrt erzählt. "Man muss das Fernsehen nicht neu erfinden. Es gibt ja gute Formate", sagt er. Der "Der Preis ist heiß" sei eines.
Zugleich gilt: Viele Formate von damals waren sehr mit ihren jeweiligen Moderatoren verwachsen. Auch, weil sie so oft liefen. Beim "Familien-Duell" machte Werner Schulze-Erdel weiße Socken zum Markenzeichen, bei "Geh aufs Ganze!" bot Jörg Draeger 1000 Mark für einen grünen Umschlag. Und bei "Der Preis ist heiß" war die Standard-Warnung an die Kandidaten "Aber nicht überbieten!" nur mit Wijnvoords niederländischem Zungenschlag vorstellbar. Vielleicht auch deshalb hinterließ eine kurzzeitige Wiederbelebung des Formats 2017 beim Sparten-Sender RTLplus (heute RTLup) mit Wolfram Kons als Gastgeber keine dauerhaften Spuren.
Wie eine Rückkehr ins Wohnzimmer
Wijnvoord macht keinen Hehl daraus, dass es sich für ihn wie die Rückkehr in sein Wohnzimmer anfühlt. "Ich dräng' mich nicht auf. Wenn es nicht gekommen wäre, hätte ich auch ein schönes Leben gehabt", sagt er. "Aber es war immer ein Traum, diese Sendung wieder zu moderieren." Er habe bei der Aufzeichnung auch nur eine kurze "Anwärmphase" gebraucht, etwa um die Spielregeln zu vergegenwärtigen.
An das Aus der Show vor 25 Jahren erinnert er sich noch recht gut. "Ich wusste ja eineinhalb Jahre vorher schon, dass die Sendung aufhören würde. Man hat mir im Mai 1996 gesagt: Du Harry, das ist dein letzter Vertrag, den du kriegst." Der Abschied sei traurig gewesen, weil man sich in der Show wie eine Familie gefühlt habe.
Zu traurigen Wahrheit gehört, dass aus dieser Fernseh-Familie einer beim Revival fehlen wird. Wijnvoords Co-Moderator Walter Freiwald, der damals mit allerhand Wort-Girlanden die Großartigkeit der zu gewinnenden Espressomaschinen und Grills ausschmückte, ist 2019 gestorben. Seinen Job übernimmt nun Thorsten Schorn. "Natürlich hätte ich ihn gerne dabei gehabt", sagt Wijnvoord über Freiwald. Aber die Situation sei leider wie sie sei.
Was er allerdings hinbekommen habe: Selbst zwei seiner Assistentinnen von damals seien wieder mit von der Partie. Die seien nun um die 50 Jahre alt. Er ist sich sicher: "Dafür werden uns die Zuschauerinnen und Zuschauer lieben." (Jonas-Erik Schmidt, dpa)
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